Eine Brücke der Solidarität

Karneval, Samba und Fußball sind die Klischees, mit denen man Brasilien bei uns häufig verbindet. Allerdings gibt es in dem fünftgrößten Land der Erde auch viel Armut, Kriminalität und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten. Karl-Heinz Hüther leitet in der Gemeinde von St. Oliver die Gruppe "Eine Welt, unsere Welt", die sich für die Unterstützung notleidender Landarbeiter in der Region um Bacabal einsetzt. Teil 3 unserer Serie zu "Weltkirche in Hannover"

Es waren die Berichte über die blutigen Landarbeiterunruhen in Bacabal, die 1983 die Gemeinde von St. Oliver in Laatzen aufhorchen ließen. "Unser damaliger Pfarrer Reiner Korten hatte stets einen guten Draht zu den Franziskanern. Durch ihn erfuhren wir von den notleidenden Landarbeitern in dieser Region", erinnert sich Karl-Heinz Hüther.

Bacabal ist eine Stadt im Nordosten Brasiliens. Sie gehört zum Bundesstaat Maranhã, welcher als der ärmste des Landes gilt. Damals wurde diese Region von einer extremen Dürre heimgesucht. Wie so oft, ziehen Naturkatastrophen insbesondere die arme Bevölkerungsschicht in Mitleidenschaft. So bedrohte die lange Dürrezeit die ohnehin schon notleidenden Landarbeiter in ihrer Existenz. Die betroffenen Menschen forderten staatliche Hilfen und gesellschaftspolitische Veränderungen. Doch die von der Regierung missbilligten Proteste und Aufstände eskalierten in gewalttätigen Auseinandersetzungen, unter deren Folgen die Landarbeiter wiederum litten.

Gemeinsam mit den Franziskanern gegen die Trockenheit

Als die St. Oliver-Gemeinde von diesen Problemen hörte, ließ die Hilfsbereitschaft nicht lange auf sich warten. Schnell fand sich eine Gruppe von Ehrenamtlichen zusammen, die sich für eine Partnerschaft mit Bacabal engagieren wollte. Da die Region um Bacabal immer wieder von extremer Trockenheit betroffen ist, lag das erste Projekt quasi auf der Hand: Die Finanzierung eines Brunnens.

Bis heute initiiert die Bacabal-Gruppe in ihrer Gemeinde einmal im Monat eine Brunnenkollekte. Und das mit großem Erfolg! Inzwischen konnte sie mit den Spendengeldern den Bau von 25 Brunnen finanzieren.

Es folgten weitere Projekte, wie beispielsweise die Unterstützung von Katechtenseminare, ein Fischzuchtprojekt und die Mitfinanzierung eines Kindergartens. "Sobald ein Projekt abgeschlossen ist, wird geschaut, was wir als nächstes unterstützen können", sagt Hüther.

Wichtig für die Bacabal-Gruppe sei der stete Kontakt zur Franziskaner Mission in Dortmund, da diese eine direkte Verbindung zur Diözese in Bacabal pflegt. "Denn zweifellos wissen die Franziskaner aus der Region Bacabal am besten, wofür die Spenden besonders dringend benötigt werden. Als Ansprechpartner in Dortmund steht uns Bruder Augustinus zur Verfügung", erläutert Hüther. Bruder Augustinus leite die überwiesenen Spenden an die richtigen Stellen weiter, "so dass keine Gelder versacken".

Zukunftsperspektiven schaffen

Spendengelder in Höhe von rund 200.000 Euro hat die Bacabal-Gruppe bis einschließlich 2018 eingenommen. Dazu zählen auch die Erlöse aus dem Bacaballaden der St. Oliver-Gemeinde. Dieser verkauft Kaffee, Tee, Honig und Süßigkeiten. Zudem füllen die Dauerspenden sowie die berschüsse vom Fastenessen und von anderen festlichen Aktivitäten den Spendentopf.

Seit dem Jahr 2011 fließen die eingenommenen Spendengelder in ein Landwirtschaftsprojekt. Dieses unterstützt die von den Franziskanern gegründeten Familienlandwirtschaftsschulen. Mit der Ausbildung sollen junge Menschen aus den ländlichen Gebieten eine berufliche Perspektive erhalten. Die Schülerinnen und Schüler erlernen dort den nachhaltigen und schonenden Anbau von landestypischem Obst und Gemüse. Der Unterricht findet in einem wechselnden Rhythmus statt: Zwei Wochen gehen die Jugendlichen zum Schulunterricht, die folgenden zwei Wochen arbeiten sie in der elterlichen Landwirtschaft. Das System hat wichtige Vorteile, von denen die ganze Familie profitiert. So ermöglicht es die schnelle praktische Umsetzung des frisch erworbenen Wissens. Außerdem stehen die Jugendlichen ihren Eltern zumindest teilweise weiterhin als Arbeitskraft zur Verfügung. Und sie können die erlernten Methoden ihrer Familie ebenfalls vermitteln.

An der Manoel-Monteiro-Familienlandwirtschaftsschule in Lago da Junco haben die Jugendlichen zudem die Möglichkeit, einen höheren Schulabschluss zu erwerben. Damit können sich die Absolventen sogar für die Aufnahmeprüfung an einer brasilianischen Universität bewerben. Einige haben diesen Weg auch schon eingeschlagen. "Natürlich besteht die Hoffnung, dass die jungen Leute nach dem Studium wieder zurückkommen und sich mit ihrer guten Ausbildung selbst in das Projekt einbringen", sagt Hüther.

Spenden weiter dringend gebraucht

Mit Bruder Augustinus steht Hüther regelmäßig in Kontakt. Somit wisse er auch, dass eine finanzielle Unterstützung weiterhin dringend benötigt werde. "Insbesondere weil die staatliche Hilfe für die Familienlandwirtschaftsschulen fast ersatzlos gestrichen wurde." In der Gemeinde St. Oliver gebe es aber nach wie vor viel Motivation, das Bacabal-Projekt zu unterstützen, freut sich Hüther. Und er ergänzt:" Wir leben doch alle in derselben Welt, und wir haben alle die gleichen Ziele. Uns geht es eben nur besser als den Menschen in Brasilien."