Gebet in Gesang

Diözesaner Kirchenmusiktag in der Basilika St. Clemens

Liturgie, Stimmbildung, Jazz, Gregorianik – und ein Dank für das Durchhalten: Zum 6. Mal sind Mitglieder von Chören zum Diözesanen Kirchenmusiktag zusammengekommen. Treffpunkt: In der und rund um die Basilika St. Clemens in Hannover.

Gregorianik trifft Tango, Choräle treffen auf Volkslied – ein Gebet in Gesang: Ein „Evensong“ steht am Ende des 6. Diözesanen Kirchenmusiktages in Hannover. Knapp 400 Sänger*innen in der Basilika lassen die Vesper, das Abendlob der Kirche, erklingen. Auf unterschiedliche Weise, aber immer in Musik: Das „Magnificat“ in zeitgenössischer Vertonung vom Hildesheimer Domkantor Michael Čulo, das „Nunc dimittis“, der Lobgesang des Simeon in englischer Romantik, das „Vaterunser“ in Sakropop.

„Der Evensong oder Abendgesang ist eine gottesdienstliche Tradition, die aus der anglikanischen Kirche stammt“, erläutert Francesco Bernasconi, Regionalkantor der Katholischen Kirche in der Region Hannover und Kirchenmusiker an St. Clemens: „Er gibt dem musikalischen Gebet besonders breiten Raum und entsprechend nutzen wir den weiten Reichtum der Kirchenmusik.“  Der liturgische Grundgedanke entspricht dem der katholischen Vesper: „Wir kommen zusammen, um auf den Tag zu blicken, Gott zu danken und ihm um Schutz für die Nacht und den kommenden Tag zu bitten.“ Der kleine Unterschied: „Der Evensong wird neben den wiederkehrenden Psalmen und Gebeten auch von der Musik her gedacht.“ Denn Musik verbindet – wie das Gebet.

Darauf weist beim liturgischen Auftakt Domkapitular Christian Wirz hin: „Kirchenmusik steht nicht einfach zur Seite der Verkündigung, sondern ist ein wichtiger Teil der Verkündigung.“ Daher sei die Kirche der Zukunft eine singende und musizierende – oder gar keine.

Erste große Chorveranstaltung seit der Corona-Pandemie

Zum Kirchenmusiktag nach Hannover hatte der Diözesan Cäcilien-Verband in Kooperation mit dem Fachbereich Liturgie und Kirchenmusik im Bischöflichen Generalvikariat. Für die Verpflegung sorgt der Malteser Hilfsdienst Hannover. „Es ist unsere erste große Chorveranstaltung seit der Corona-Pandemie“, betont Bernasconi: „Für Chöre war das eine harte Zeit, da sie lange Zeit weder singen noch proben durften – aber sie haben durchgehalten.“ Das soll auch mit dem Kirchenmusiktag gewürdigt werden. 

Entsprechend breit ist das Angebot für die Teilnehmenden, die aus Winsen/Luhe bis Duderstadt, aus Herzberg bis Wolfsburg kommen: Zwei Liturgien werden in der Basilika als Workshop gesungen, es gibt Angebote für spezifische Stimmbildung für Frauen und für Männer oder zur musikalischen Früherziehung. Inhaltlich geht es von Gregorianik über Gospel bis hin zu Jazz und Pop. In einem Dirigierlabor kann Chorleitung ausprobiert werden, ein Angebot führt in das Spielen eines Cajón ein, der Trommelkiste aus Peru, ein weiterer Workshop verbindet Kirchenmusik mit liturgischem Tanz –  „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht“ (Gotteslob 450) wird mit Gesten unterlegt.

Diese Verbindung ist dann auch im abschließenden Evensong zu hören und zu sehen. „Die Performance von Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht hat uns alle sehr berührt“, sagt Monika Günterberg vom Kirchenchor St. Michael aus Wolfsburg-Vorsfelde. Ihre Chorkolleg*innen waren anfangs etwas verunsichert, ob ihnen die gewählten Workshops zusagen: „Aber sie waren begeistert und haben für sich viel mitgenommen – ich auch.“ Zwar sei es bei dem Hall in der Basilika St. Clemens nicht einfach zu singen, doch der Chorklang war großartig und die Atmosphäre einfach toll: „Es macht einfach Spaß, in einem so großen Chor gemeinsam zu singen.“ Dem Chor habe zudem das abwechslungsreiche Musikprogramm gefallen. Noch eines ist für Monika Günterberg wichtig: „Der Tag hat Mut gemacht für die eigene Chorarbeit, für das Singen in der eigenen Gemeinde.“

Ein Eindruck, den Simone Müller de Leon vom Kirchenchor Guter Hirt aus Winsen/Luhe bestätigt: „Solche Tage motivieren, da haben Chöre vor Ort etwas davon.“ Sie selbst habe mit Stimmbildung und dem Pop-Chor zwei „wirklich tolle Workshops besucht, die mir echt was gebracht haben.“ Die Kontakte zu und der Austausch mit anderen Sänger*innen prägen zudem einen solchen Tag: „Das ist einfach wertvoll.“

Impulse für die Chöre vor Ort

Auch für Christoph Neitzel vom Propsteichor St. Clemens aus Hannover sind diese Kontakte und der Austausch mit anderen Chören wichtig – gerade aus anderen Ecken des Bistums. Zwar hatte der Chor ein Heimspiel, aber man konnte einen Blick „auf das Dirigat anderer Chorleiter“ werfen und nicht nur in den Workshops viel Neues lernen und ausprobieren: „Man gewinnt andere Perspektiven.“ Ein Höhepunkt war auch für Neitzel der Evensong als Abschluss. „Die Freude, mit so vielen Menschen gemeinsam singend zu beten, ergibt sich ja leider nur selten.“

Impulse für die Chöre vor Ort zu geben, Mut zum Weitermachen stiften, einen Blick in die Weite der Kirchenmusik zu geben, unterschiedliche Genres vorstellen – das alles soll vom Diözesanen Kirchenmusiktag ausgehen, unterstreicht Stefan Mahr, Kirchenmusikreferent und Leiter des Orgel- und Glockenwesens im Bischöflichen Generalvikariat in Hildesheim: „Und ein solcher Tag zeigt die besondere Beziehung von Liturgie und Musik.“  

Stichwort Liturgie und Musik: Der Evensong in der Basilika St. Clemens und damit der Kirchenmusiktag endet mit „Der Mond ist aufgegangen“, dirigiert vom musikalischen Hausherrn, Francesco Bernasconi. Gesungen in einem Gotteshaus, das mit Agostino Steffani im 18. Jahrhundert von einem Bischof und ausgebildeten Kirchenmusiker konzipiert wurde. Ein Werk von ihm hatte der Propsteichor St. Clemens zum Auftakt gesungen. Nun klingen die letzten Zeilen über den dunkler werdenden Platz an der Basilika: „Verschon uns, Gott, mit Strafen und lass uns ruhig schlafen und unsern kranken Nachbar auch.“ 

Rüdiger Wala