Adventskalender mit 35 Türen

Das "Paulus-Türchen" im Burgwedel

Advent und Infektionsschutz – das macht doch alles unmöglich. „Stimmt nicht“, sagten sich Engagierte in St. Paulus in Burgwedel. Sie haben sich stattdessen gefragt, was möglich ist – und das ist eine lange Liste beim „Paulus-Türchen“.

Tina Fischer sucht nach diplomatischen Worten: „Nach einer Besprechung bin ich, sagen wir, emotional geladen hinausgegangen“, erzählt die 42-jährige Pfarrsekretärin von St. Paulus in Burgwedel. Grund ihrer gefühlsmäßigen Verstimmung: „Wir haben nur darüber gesprochen, was alles zu Weihnachten nicht geht.“ Keine großen Gottesdienste, keine Konzerte, die mehr als den letzten Sitzplatz füllen, kein adventliches Kaffeetrinken, bei dem alle Tassen und Teller herangeholt werden müssen, die das Pfarrheim hergibt.

Noch ein Ausfall – das Krippenspiel. Lange Tradition und große Bedeutung in der Gemeinde. Doch: „20 beteiligte Kinder, das geht ja nun gar nicht.“ Eine Vorstellung, die aber Leni-Sophie, Tochter von Tina Fischer nicht behagte: „Sie hat klar gesagt, da müssen wir was machen.“ Tina Fischer machte: Zusammen mit ihren beiden weiteren Kindern und einer Familie, die ebenfalls drei Kinder hat, wird nun ein Krippenspiel vorbereitet: „Zwei Familien, sechs Kinder – da geht was.“ Geändert wurde der Termin. Nicht Heiligabend, sondern am Samstag vorher. „Zum einen, weil es zeitlich entzerrt“, meint Tina Fischer – gerade für Familien. Denn die Anmeldelisten für Weihnachtsgottesdienste füllen sich schnell.

„Wir stellen den Advent in den Mittelpunkt“

Aber das war nicht der einzige Grund: „Zum anderen, weil es den Advent in den Mittelpunkt stellt.“ Für Tina Fischer die ausschlaggebende Idee: „Wir haben uns dann gefragt, was würden wir machen, wenn wir statt auf Weihnachten eher auf den Advent blicken.“ Weihnachten ist immer großes Kino, das vermeintlich Kleine, das Besinnliche in der Zeit des Wartens auf das Kind in der Krippe geht häufig verloren. Erwartung verträgt kein Spektakel.

So gedacht, wurde auf einmal was möglich: Keine Großveranstaltungen, sondern viele, kürzere Zusammenkünfte. Maximal 45 Minuten, maximal 60 Teilnehmende, weil das die Anzahl der in der Kirche zur Verfügung stehen Plätze ist. „Ich habe dann immer mal wieder die Idee in den Raum geworfen – und war überrascht, wie unsere Leute reagiert haben“, berichtet sie.

Chor und Kirchenband haben sich etwas Infektionsschutzgerechtes ausgedacht, Berufsmusiker, die in der Gemeinde aktiv sind, steuern kleine Konzerte bei, die Ministranten und Ehrenamtliche bereiten Andachten und Wort-Gottes-Feiern vor, Lesungen werden besonders für Kinder angeboten: „Da steckt so viel Liebe drin.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass das so groß wird“

Für Tina Fischer gibt es ein besonders augenfälliges Beispiel: „Zwei Frauen aus der Gemeinde haben gesagt, sie würden gerne eine Meditation anbieten.“ Allerdings fehle noch Musik, die nicht aus der Konserve kommen sollte. „Zwei Anrufe später hatte ich eine Musikerin, die sie unterstützt“, sagt Tina Fischer. So kam eines zum anderen: „Ich hätte nie gedacht, dass das so groß wird.“

Auch Mitstreiterin Jenna Gregg ist vom Zuspruch mehr als überrascht: „Vor allem weil die Leute, ihre Veranstaltung anbieten, ohne zu fragen, wie viele kommen“, betont die 26-Jährige. Sind es ‚nur‘ vier Kinder – trotzdem wird vorgelesen. „Wichtig ist, dass Leben und Experimentierfreude in der Gemeinde ist“, stellt Jenna Gregg heraus, die auch Mitglied des Pfarrgemeinderates ist. Das mache das Programm nicht nur bunt, „sondern auch sehr entspannt.“ Weil es eben kein Wettbewerb ist, welche Veranstaltung als erste ausgebucht ist: „Wir probieren das auch, was möglich ist.“ Egal, ob etwas schief geht. Oder nur schief gesungen wird.

Die enorme Resonanz hat für Tina Fischer etwas mit einer „Sehnsucht“, wie sie es nett, zu tun: „Und zwar nach dem Kirchenraum.“ In Zeiten des nahezu kompletten kirchlichen Lockdowns im Frühjahr hätten viele Gemeindemitglieder genau das vermisst. Ruhe finden, sich besinnen – und das jetzt im Advent.

Mobiltelefon kommt zu neuen Ehren

Sogar ein altes Mobiltelefon kommt zu neuen Ehren – und entwickelt durchaus ein Eigenleben: „Wir nutzen das Handy mit einer Prepaidkarte, damit sich Interessierte auch abends zwischen 18 und 19 Uhr anmelden können“, erläutert Jenna Gregg. Was nun das Eigenleben der Anmeldungs-Hotline betrifft: Das Mobiltelefon nehmen Ehrenamtliche mit nach Haus. Anrufer*innen wissen nicht, wer am anderen Ende der Leitung ist. „Da entstehen auf einmal ganz interessante Gespräche“, sagt Jenna Gregg, die das Telefon bereits zu Hause hatte: „Da wird dann gefragt, wer ich bin, woher wir uns kennen und vieles andere mehr.“ Wieder etwas, womit die beiden Frauen nicht gerechnet haben: „Toller Nebeneffekt“, meint Jenna Gregg.

Überhaupt die Anmeldungen: Tina Fischer hat eine Erfahrung gemacht. „Die älteren Leute, um die wir uns ja Sorgen machen, sind da tipptopp organisiert.“ Egal wieviel Jahre sie zählen, E-Mail schreiben, Whatsapp nutzen – das bringen sie sich gegenseitig bei. Schwierig sei es eher für Familien: „Die haben viel um die Ohren“, weiß die Pfarrsekretärin. Fast alles, was Freizeit für die Kinder ausmacht – Freund*innen besuchen, Sport, Musik, Hobbys, Nachhilfe und vieles andere mehr – ist derzeit weggebrochen. „Familien müssen sich neu organisieren und das ist nicht einfach.“ Umso mehr hilft es, eher viele kleine Angebote zu verschiedenen Zeiten zu machen.

Unterm Strich sind es nun 35 bunte, unterschiedliche Einladungen, die St. Paulus im Advent und zu Weihnachten ausspricht. Blieb die Frage, wie ein solches Programm zusammengefasst werden kann. Da fiel der Blick auf das künstlerisch gestaltete metallene Portal der Kirche. Advent, Kalender, Tür – das passt. Aber es sind bewusst kleine Veranstaltungen. Daher wird das Portal zum „Paulus-Türchen“.

  • Bei Interesse: Anmeldungen über die Hotline 01520 717 2439: Montags bis freitags von 18 - 19 Uhr. Alternativ im Pfarrbüro per Mail (st.paulus-burgwedel(ät)arcor.de ) oder telefonisch:  05139 4916.

Rüdiger Wala