Alles eine Frage der Perspektive

Noch bis zum 25. September ist die Ausstellung "Kirche an|Ecken" im [ka:punkt], dem Treffpunkt der Katholischen Kirche in der Innenstadt von Hannover zu sehen. Sie zeigt Collagen und plastische Arbeiten von Schülerinnen und Schülern der katholischen St.-Ursula-Schule.

Ausgangspunkt ist eine Auseinandersetzung mit der Architektur und Struktur der Basilika St. Clemens als Herausforderung, sich zum Kirchenraum und zur Institution Kirche selbst zu positionieren. Dabei sind Arbeiten entstanden, die die Grundbausteine von Kirche, die persönliche Beziehung von Gott zu den Menschen, das, was Hoffnung schenkt und Gemeinschaft bildet, hinterfragen und thematisieren. Und alles aus einer ungewöhnlichen Perspektive.

So wie die Arbeit von Charlotte. In ihrer Collage werden Fotos der äußeren Gestalt von St. Clemens mit Elementen des Altars verbunden und neu zusammengesetzt. Ganz unten: Schuhe. Einer zeigt zum Portal des Kirche, der andere davon weg. Das ist für mich ein Zeichen von Zu- oder Abwendung von der Kirche, sagt die 16-Jährige. Von den Schuhe führen mehre Treppen zur Kirchentür: Denn es gibt unterschiedliche Wege, wie man seinen Glauben ausdrücken kann, meint Charlotte. Im oberen Abschnitt endet die Collage mit der für St. Clemens so charakteristischen Kuppel und einem Stück Himmel: Für mich drückt das den Zusammenhang von Gottes Wort und dem Handeln der Menschen aus. Glauben stiftet Gemeinschaft und Gemeinschaft erhält den Glauben am Leben.

Auch Lina rückt mit ihrer Arbeit das Verhältnis von Gott und den Menschen in den Blickpunkt. Sie hat graue Wände rund um St. Clemens fotografiert und an einzelnen Wänden ist eine Hand zu sehen. Das Symbol der Mauer ist für die 17-Jährige doppeldeutig: Mauern sind Fundamente, aber auch Hindernisse. Das entlang Hangeln der Hände an der grauen Wand steht für die Hilfe, die Gott und Glaube, aber auch die Kirche Suchenden bieten kann. Selbst wenn solche Lebenswege in verschiedene Richtungen führen.

Die Arbeiten sind das Ergebnis eines fächerübergreifenden Projektes im 11. Jahrgang der St.-Ursula-Schule, erläutert Renate Brachem. Sie ist Religionslehrerin. Zusammen mit ihrer Kollegin, der Kunst- und Mathematiklehrerin Ute Büring, hat sie das 300-jährige Jubiläum der Basilika St. Clemens zum Anlass genommen, damit junge Menschen auf kreative Art Glaubensorte erkunden. Dazu zählte eine intensive Vorbereitung: Wir haben uns mit dem Verständnis von Kirche, ihrer Aufgabe und Kennzeichen auseinandergesetzt. Denn schließlich sind Kirchengebäude der sichtbare Ausdruck, wie Kirche sich selbst versteht. Nach Exkursionen nach Hildesheim (zur Dom und zur Kirche des Priesterseminars) und zur Cella St. Benedikt in Hannover wurde auch der Kirchenraum von St. Clemens erkundet.

Um das Verhältnis von Kirchenraum und Kirchenverständnis künstlerisch aufzuarbeiten, haben sich nach den Worten von Ute Büring Fotocollagen angeboten: Vom eigenen Standpunkt aus wird die Statik aufgebrochen, der Horizont verschoben, Raumerfahrungen verändert oder erweitert. Das, sagt Ute Bühring, eckt an. Unterschiedliche Perspektiven verbinden sich und konstruieren ein neues Bild mit einer Bedeutung, die persönliche Bezüge und Beziehungen offenbart.

Zum Beispiel zu Kirchenliedern wie in einer Collage von Julia: Ich singe gerne, erzählt die 17-jährige. Und Singen ist Ausdruck von Glauben. Lieder können Hoffnung schenken oder Trost spenden: ber sie kann mit Gott geredet werden. Daher rückt sie in ihrer Collage etwas in den Mittelpunkt, das sonst eher unachtsam gegriffen wird das Gotteslob.

Zur Ausstellung gehören zudem plastische Arbeiten Variationen von kleinen Kuben aus Pappe. Bei einer Arbeit ist der Würfel mit Draht überzogen. Nur eine kleine Ecke ist offen und lässt Einblick nehmen, in das, was im Kubus versteckt ist: eine kleine Perle. Sinnbild für eine Kirche, die von außen grau und abweisend wirkt, sogar verformt wirkt und ihr Inneres verbirgt. So geht der wahre Wert von Kirche von außen betrachtet verloren.

Für Propst Martin Tenge, Hausherr von St. Clemens, ist die Ausstellung ein besonderes, ein ganz wichtiges Geschenk für unser Jubiläum. Kunst und Religion gehören für ihn zusammen: Religion braucht Kunst als Ausdruck und die Kunst nimmt Religion zum Thema. So wird durch die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler, eine Sprache gefunden, die den Glauben und ein Bild von Gott in den Dialog bringt.

Die Leiterin des [ka:punkt], Jutta Johannwerner, sieht viele Bezugspunkte der Collagen zur täglichen Arbeit in der Begegnungs- und Beratungseinrichtung der katholischen Kirche: die andere Perspektive auf Glauben und Leben, die Suche nach der Geborgenheit in Gott, die Offenheit des Himmels all das erleben wir hier. Das ecke an. Immer wieder.

 

Info: Die Ausstellung wird bis zum 25. September im [ka:punkt] zu sehen sein (Grupenstraße 8). ffnungszeiten: Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr. Im Oktober wird die Ausstellung für drei Wochen in der dann neu eröffneten Krypa der Basilika St. Clemens zu sehen sein.

Rüdiger Wala