Die Klage der Bäume

Mahnwache vor dem Niedersächsischen Verkehrsministerium gegen die Rodung von Natur für den Straßenausbau

Mit einer Aktion vor dem Niedersächsischen Verkehrsministerium haben die Christians4Future, Aktive aus evangelischen und katholischen Gemeinden sowie Mitarbeitende des Umweltteams des Bistums Hildesheims versucht ein Zeichen zu setzen – gegen die Rodung von 5000 Bäumen für den Ausbau des Südschnellwegs im Hannover.

Der Südschnellweg in Hannover ist weit mehr als ein Weg. Er ist faktisch eine Stadtautobahn. Aber marode, die Straße muss erneuert werden – und wird dabei auf mehr als zwei Kilometer Länge von 14 auf 25,60 Meter verbreitert werden. Mit neuer Standspur, allerdings ohne zusätzliche Fahrbahn. So der genehmigte Plan. Das heißt aber auch: Auf etwa 13 Hektar werden im Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet Bäume gefällt. 5000 an der Zahl. Teile des Gebietes sollen später renaturiert werden. Veranschlagte Bauzeit: ein Jahrzehnt. 

Das Bauprojekt ruft Empörung hervor – auch bei den Christians4Future, Aktiven der Evangelischen und Katholischen Kirche sowie dem Umweltteam im Bistum Hildesheim. Sie haben kurz vor Beginn der Rodungsarbeiten vor dem Niedersächsischen Landtag mit einer Mahnwache noch ein Zeichen gesetzt: gegen eine Verkehrspolitik, die dem Auto immer noch Vorfahrt gibt und für die Bedeutung von Bäumen. Mit Argumenten aus der Bibel.

„Wir erheben unsere Stimmen gegen die Zerstörung der nichtmenschlichen Kreaturen in der Leinemasch“, heißt es im Aufruf zur Mahnwache. Denn die Vernichtung von Leben lasse sich nicht kompensieren. Gefordert wird eine Verkehrswende, die zu weniger Verkehr führt. Der Ausbau von Straßen produziere jedoch mehr Verkehr.

„Wir fordern die Entscheidungsträger*innen auf, vom Ziel her zu denken und zu planen“, heißt es weiter. Das Ziel laute: Klimaneutralität bis 2035 und Erhalt der ökologischen Vielfalt. Selbst wenn der Ausbau des Südschnellweges genehmigt ist, seien solche Feststellungspläne keineswegs „heilig“. „Nehmen Sie die Verantwortung wahr“, wird der Appell an die Politik gerichtet: „Für die zukünftigen Generationen und für die nichtmenschlichen Kreaturen – mit einem Wort: Bewahren Sie die Schöpfung!“

Nichtmenschliche Kreaturen? „Von Bäumen zu lernen mag uns, die wir in westlichen Industriekulturen aufgewachsen sind, fremd erscheinen“, sagt Elisabeth Steffens, Referentin für Schöpfungsspiritualität im Bischöflichen Generalvikariat. Die Bibel ist da weiter: Die Heilige Schrift sieht Bäume als Lehrende. Wenn zum Beispiel im Buch Genesis (18,1) Gott Abraham bei den Eichen erscheint oder das Buch der Psalmen mit der Aufforderung beginnt, von einem Baum zu lernen. Dabei geht es um nichts weiter als Gerechtigkeit (Psalm 1, 3). Der Evangelist Markus (13,28) überliefert, dass selbst Jesus gefordert habe, von einem Feigenbaum zu lernen.

So trägt dann Dirk Preuß, Umweltbeauftragter des Bistums Hildesheim, ein Klagelied der Bäume vor: „Weh uns, denen das Grün genommen wird und die Luft zum Atmen“, heißt es. Und: „Weh denen, die Verkehrsprojekte befördern ohne Zukunft“. Denn: „Wenn alles asphaltiert ist, wirst du erfassen, dass man Landschaftsschutzgebiete nicht im Internet bestellen kann.“

 Nachtrag: Die Rodungsarbeiten haben begonnen, das Protestcamp „Tümpeltown“, in dem Aktivist*innen bis zuletzt in den Bäumen ausgehalten haben, wurde durch die Polizei geräumt. Die Bagger rollen an. Aber es bleiben Protest und Empörung – bei den Christians4Future und den Aktiven aus den christlichen Gemeinden.

pkh/Wala