Dienstleister für die Menschen

Weihnachten ? das Fest der Liebe und eine Zeit der Besinnlichkeit für die meisten Menschen in Deutschland. Und doch gleichzeitig eine Zeit, in der im Jahresendspurt die Geschäftsbilanzen stehen müssen, die Weihnachtspost auf den letzten Drücker raus muss und in den Kirchengemeinden rotiert wird. Doch was macht und will Kirche anders machen als "ganz normale" Unternehmen? Eine Bestandsaufnahme.

Es sind nur wenige Meter, die Arbeit und zu Hause von Josef Attermeyer voneinander trennen. Und doch sind es für ihn an Weihnachten die entscheidenden paar Schritte über den Kirchplatz, die den Küster von St. Clemens in Hannover vom heimischen Weihnachtsbäumchen fern halten. Denn Attermeyer hat Dienst in der Kirche: Kirche auf- und zuschließen, Kerzen anmachen, Beleuchtung vorbereiten, Gewänder rauslegen, liturgische Bücher für die Kleriker vorbereiten, Kelche und Hostien vorbereiten, manchmal Glocken läuten und das Krippenspiel vom Hintergrund aus glatt von der Bühne gehen lassen allein an Heiligabend werden drei Messen in St. Clemens abgehalten, am ersten Weihnachtsfeiertag sogar vier. Leider bleibt da nicht viel Zeit, um für mich persönlich Weihnachten zu feiern, überlegt Attermeyer. Aber das macht auch nichts. Da hätte ich einen anderen Beruf wählen müssen. Und da er seit 1995 mit Leib und Seele Küster an St. Clemens ist, flitzt er halt zwischendurch schnell nach Hause.

Da wartet dann seine Mutter auf ihn, die extra aus dem westfälischen Steinfurt zu Besuch kommt und an Heilig Abend für sie beide kocht. Nichts Besonderes, einfache Hausmannkost, relativiert Attermeyer schnell. Für ein feierliches Essen hätte der 48- Jährige an dem Abend auch einfach keine Zeit. Und trotzdem: Freiräume in der Advents- und Weihnachtszeit nimmt sich der Küster in dieser stressigen Zeit auch. Um zur Ruhe zu kommen macht er sich eine Kerze an, setzt sich davor und liest. Ich höre auch gerne Musik und fahre nach Möglichkeit einmal in der Woche nach Westfalen, um mich zurück zu ziehen, erzählt er.

Es ist Menschen wie Josef Attermeyer zu verdanken, dass andere ein schönes Weihnachtsfest haben können weil sie sich einsetzen und engagieren, findet Propst Martin Tenge. Sein Hauptsitz, die Propstei, ist nur wenige Meter von St. Clemens entfernt. Josef Attermeyer geht hier ein und aus. Und hier ist es, wo die Weihnachtspost der Katholischen Kirche in der Region Hannover eingetütet wird und viele Aktionen noch schnell zu Jahresende organisiert werden müssen. Propst Tenge ist das Problem der stressigen Weihnachtszeit und der unbesinnlichen Adventszeit also durchaus bekannt ist, er findet aber trotzdem: Wir sind Dienstleister zu solchen Feiertagen für andere und bringen den Menschen Freude und die Freude der Menschen ist für mich persönlich als Priester ein freudiger Aspekt von Weihnachten. Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, dass man sich als Kirche oder Caritas von den Gepflogenheiten mancher Industrieunternehmen abgrenze. Ich zum Beispiel versuche, mir keinen Stress einzureden oder einreden zu lassen, und möchte so wenig besinnliche Veranstaltungen besuchen wie möglich, erklärt Propst Tenge. Umso mehr freue ich mich dann auf die Gottesdienste, die ich feiern darf und in denen hoffentlich viel vom Himmel spürbar sein wird.

Ganz richtig findet auch Jutta Johannwerner, die Leiterin vom ka:punkt in Hannover. Sie steht mitten auf dem Weihnachtsmarkt, der direkt vor dem ka:punkt entlang läuft, und kontrolliert, ob im Weihnachtsstand der Kirchen auch alles rund läuft. Wieviel kostet dieses, wo finde ich jenes immer wieder hilft Jutta Johannwerner den rund 100 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die die ökumenische Weihnachtsbude am Laufen halten, die richtige CD oder das mal wieder abgefallene Preisschild von den süßen Kindersitzkissen zu finden. Wir sollten als Kirche unseren Mitarbeitern nicht noch spezielle spirituelle Angebote zur Weihnachtszeit machen, denn das birgt die Gefahr, als noch ein extra Termin oben drauf wahrgenommen zu werden, sagt sie. Deswegen gebe es im ka:punkt zum Beispiel keine Weihnachtsfeier. Und auch die<link http: www.caritas-hannover.de external-link-new-window externen link in neuem> Caritas in Hannover hat sich dieses Jahr entschieden, keine Weihnachtspost zu verschicken, sondern das Geld dafür lieber für die Flüchtlingshilfe zu verwenden. Das ist zwar schade, wenn solche Dinge wegfallen, aber ich versuche die dienstlichen spirituellen Angebote, die ich ja zum Teil selbst vorbereite, für mich zu nutzen, meint die 57-Jährige. Gerade die Rorate- Messen, mit denen wir einmal die Woche einen besinnlichen Einstieg in den Tag haben, helfen mir da. 

Zu mehr sei einfach keine Zeit, denn gerade Weihnachten ist der ka:punkt voll und auch das bekannte rote Sofa meist besetzt, auf dem sich Jutta Johannwerner kurz niederlässt, um einen schön starken Espresso zu trinken.  Weihnachten wird oft als Heile- Welt- Feier erlebt. Da werden die Mängel und Lücken im eigenen Leben wahrnehmbarer. Einsamkeit wird stärker als Problem erlebt, analysiert sie. Die Menschen suchen dann hier nach Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen. Für ihre Mitarbeiter schickt sie ab und zu als Ausgleich für den Stress per Mail den Adventsimpuls vom Wohldenberger Pfarrer Lampe rum. Ich hoffe, dass die Mitarbeiter damit auf andere Gedanken gebracht werden, als die Frage danach, ob sie schon ein Geschenk für Tante Frieda haben, scherzt Jutta Johannwerner. Einen solchen adventlichen Impuls per Mail verschickt auch die Caritas in Hannover, der durch den Umbau derzeit die Möglichkeit genommen ist, ihr traditionelles Montagstreffen im Advent abzuhalten. 

Jutta Johannwerner selbst nimmt sich wie Josef Attermeyer im Advent auch mal die Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Doch anders als er kann sie sich wenigstens die Feiertage dieses Jahr frei halten für ein gemütliches Raclette essen mit ihrem Mann und den zwei Töchtern. Danach gibt es dann die Bescherung und die obligatorische Christmette. Und am ersten Weihnachtsfeiertag fahren wir zur Oma und feiern da weiter, erzählt sie. Josef Attermeyer wird dagegen erst wieder nach Weihnachten eine Kirche privat von innen sehen in seinem westfälischen Heimatdorf: Da kann ich dann richtig runterkommen und besinnlich eine Messe feiern.

Marie Kleine