Ein Schritt gegen Ausbeutung

Lesung und Diskussion an der Ludwig-Windthorst-Schule in hHnnover

Fairer Handel – geht es überhaupt? Können Kaffeebauern in Bolivien oder Näherinnen in Bangladesch gerecht an ihren Produkten beteiligt werden? Für Katharina und Gerd Nickoleit ist das möglich. Wie? Das haben sie Schüler*innen der Ludwig-Windthorst-Schule erläutert.

Gerd Nickoleit, Jahrgang 1943, gilt als „Urgestein des Fairen Handels“: Er hat die 1975 die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, kurz GEPA, mitgegründet – heute der größte europäische Importeur fair gehandelter Lebensmittel und Handwerksprodukte aus den südlichen Ländern der Welt. 30 Jahre leitete die GEPA- Grundsatzabteilung und war Mitbegründer der World Fair Trade Organization. Mit ihm ist zudem ein Meilenstein der Umweltbewegung verbunden: Jute statt Plastik. Nickoleit war es, der 1978 die grobmaschigen Jutetaschen aus Bangladesch nach Deutschland gebracht hat.

Zusammen mit seiner Tochter, der Journalistin Katharina Nickoleit (Jahrgang 1974), hat er ein Buch geschrieben: „Fair for Future“. Untertitel: „Eine gerechte Welt ist möglich.“ Bei einer Lesung in der Ludwig-Windthorst-Schule im Rahmen der Fairen Woche haben die beiden ihr Buch vorgestellt und sich den Fragen von Schüler*innen gestellt.

Vor allem wirbt Gerd Nickoleit dafür, dass es im Handel klare Regeln geben muss – wie im Sport: „Fair Play weltweit“. Die weltweite Klimaschutzbewegung habe deutlich gemacht, dass die reichen Länder des Nordens auf Kosten der Länder des Südens leben. Das gelte sowohl für Handelsbeziehungen als auch für die Produktionsbedingungen, unter denen T-Shirts genäht oder Kaffee und Kakao angebaut werden.

"Es geht um Veränderung der Strukturen"

Fairer Handel ist für Gerd Nickoleit ein Schritt, um der Ausbeutung der Länder des Südens etwas entgegenzusetzen. „Fragt nach fair gehandelten Produkten, tragt eure Kleidung länger“, betont der GEPA-Gründer. Doch der verantwortliche Konsum oder Spenden für Entwicklungsprojekte reichen allein natürlich nicht aus. „Es geht um eine Veränderung der Strukturen“, stellt Gerd Nickoleit heraus.

Ein Beispiel ist im Juni dieses Jahrs nach langem Streit von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Lieferkettengesetz. Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden müssen von 2023 an ihre Lieferketten sehr viel genauer analysieren, kontrollieren und zumindest teilweise auch für Umweltschäden und soziale Folgen ihres Handels haften. Ab 2024 soll das Gesetz noch weiter greifen und dann schon für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden gelten. Ein Anfang, mehr nicht.

Politisches und Privates

Doch in der Familie Nickoleit ist Politisches auch privat und greift ineinander über: Tochter Katharina Nickoleit erzählte, wie es war, in einem entwicklungspolitisch geprägten Haushalt der 1970er und 1980er Jahre aufzuwachsen: „In meiner Kindheit bedeutete Fairer Handel eher Verzichten und Außenseiterin zu sein.“ Keine Cola, keine Turnbeutel, sondern – eine Jutetasche. Doch das sei heute anders.

„Mir ist bewusst geworden, wie wichtig fair trade eigentlich ist“, sagt Mara. Die 16-Jährige geht in der 10. Klasse der LuWi. Zudem habe sie beeindruckt, was für ein langer und weiter Weg es war, bis sich tatsächlich etwas geändert hat.

Mitschülerin Marlene möchte zukünftig mehr auf die eigene Lebensweise achten: „Mir wurde wirklich klargemacht, dass es am einzelnen Konsumenten liegt, etwas zu verändern“, meint die 15-Jährige. Firmen und Regierungen würden nicht von selbst darauf achten, dass Rohstoffe und Produkte fair gehandelt werden: „Das passiert erst auf Nachfrage.“

Für Sarah ist besonders die Geschichte des Fairen Handels interessant: „Vor allem, wie sich zu dem entwickelt hat, was er heute ist.“ Es ist für die 15-Jährige wichtig, auf das Thema aufmerksam zu machen. Allerdings hätte sie sich zusätzlich zu Lesung noch ein paar Bilder gewünscht: „Damit hätte man sich die Dinge besser vorstellen können.“

Die Lesung in der Ludwig-Windthorst-Schule wurde vom Agenda 21- und Nachhaltigkeitsbüro der Landeshauptstadt Hannover in Zusammenarbeit mit dem Jugend-Aktions-Netzwerk-Umwelt-und-Natur JANUN organisiert.

  • Buchinfo: Gerd und Katharina Nickoleit, Fair for Future: Ein gerechter Handel ist möglich, Ch. Links Verlag, 224 Seiten, ISBN: 978-3962891138, 18 Euro

Rüdiger Wala