"Fasten ist kein Selbstzweck"

Ein Gespräch über Verzicht und Besinnen, über Religion und Gesundheit

"Österliche Bußzeit" – so nennen Christ*innen die Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern. Oder kurz: Fastenzeit. Was ist das Besondere an diesen Tagen? Wo liegen ihre Wurzeln? Und was umfasst eigentlich das Fasten? Fragen an Sr. Hilgedard Faupel von der Gemeinschaft Jesu.

Das ist so ein gängiges Bild: Bei Fasten geht es doch in erster Linie um Verzicht auf alles Mögliche – Süßigkeiten, Alkohol, Fleisch essen oder Autofahren. Geht es wirklich nur um Verzicht?

Ja, es geht um Verzicht. Aber das ist nur die eine Seite. Fasten ist kein Selbstzweck. Wir beginnen die Fastenzeit liturgisch am Aschermittwoch mit den Worten: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Das freiwillige Verzichten oder mit einem anderen Wort gesagt „enthalten“ ist eine Hilfe, sich von dem abzuwenden, was mich hindert, in der Freiheit des Evangeliums zu leben.

Mal zurück zu den Grundlagen: Welchen Ursprung hat das Fasten im Christentum?

Jesus selbst ist 40 Tage in die Wüste gegangen, nachdem er sich von Johannes hat taufen lassen. Eine zutiefst spirituelle Erfahrung. Allein mit sich und Gott hat er gefastet. Das war eine gängige jüdische Praxis. Es tut gut, solch eine intensive Zeit einzuplanen, um sich bewusst einzulassen auf die göttliche Dimension, die manchmal im Alltagsgeschäft untergeht.

Jetzt wird diese Zeit eher mit Heil- oder Intervallfasten als wirkungsvolle Diät verbunden. Eine problematische Entwicklung, die die eigentliche Idee des Fastens verwässert?

Nein. Heil- oder Intervallfasten ist ja das ganze Jahr über möglich. Da geht es um den Leib, dem wir etwas Gutes tun wollen, indem wir teilweise auf Nahrung verzichten. Sei es abnehmen oder den Darm reinigen. Oder auch einfach anschließend wieder bewusster zu essen. Wir verbinden in unseren jährlichen Heilfasten-Exerzitien bewusst diese körperliche Dimension mit der spirituellen des Fastens.

Wie kann Spiritualität, eben das sich Besinnen, wieder mehr in der Fastenzeit zu Geltung kommen?

Spiritualität im christlichen Sinn bedeutet, sich wieder mehr an Jesus Christus zu orientieren, der sich auf diese Welt eingelassen hat. Ich empfehle, sich morgens oder abends einfach mal hinzusetzen, zur Ruhe zu kommen, meditieren. Oder auch abschnittweise das Markusevangelium zu lesen. Und ich kann mal ganz konkret schauen, wo ich mir selber im Wege stehe, wenn es um ein „Leben in Fülle“ geht. Wir gehen als Christen in dieser Zeit ja bewusst auf das Osterfest zu.

Fasten ist ja nicht nur ein christliches Prinzip, sondern zieht sich durch viele Religion. Was ist das verbindende Element dabei?

In allen Religionen ist Fasten eine geistliche Übung, die zu einer vertieften Spiritualität führen soll. Sie beinhaltet den Verzicht auf Essen und Trinken und Sexualität.

Und wo liegen Unterschiede?

Im Buddhismus und Hinduismus ist es eher eine kurze Zeit der Enthaltsamkeit, um sich auf die Meditation vorzubereiten. Im Islam kennen wir den Fastenmonat Ramadan, in dem von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang streng gefastet wird. Auch da geht es darum „gottesfürchtig“ zu werden. Juden und Christen kennen vierzigtägige Fastenzeiten vor großen Festen, um sich darauf vorzubereiten.

Kirchen beider Konfessionen rufen zum "Klimafasten" auf. Leitgedanke: "So viel du brauchst". Ist das ein guter Ansatz, um ein politisches Ziel – mehr Klimaschutz – mit dem eigenen Handeln zu verbinden?

„Sammel, so viel du brauchst“ sagt Mose den Israeliten in der Wüste, als es Manna vom Himmel regnet. Augustinus schreibt in seiner Ordensregel, jeder und jede soll so viel bekommen wie er oder sie braucht. Es brauchen nicht alle das gleiche, aber alle sollen das bekommen, was zum guten Leben notwendig ist. Gottes Schöpfung ist für alle da. Aber das „Raumschiff Erde“ hat begrenzte Ressourcen. Mehr Klimaschutz statt mehr Wirtschaftswachstum wäre für mich das politische Ziel. Das geht, wenn zum Beispiel nicht einige sich alles kaufen, was sie sich kaufen können, ohne es wirklich zu brauchen.

Nochmal zum bewussten Verzicht, zum Beispiel um sieben Wochen lang etwas mehr für das Klima zu tun: Muss dieser Verzicht weh- oder guttun? Oder beides?

Verzicht ist immer freiwillig. Man tut es um eines höheren Gutes Willen. Eine Sportlerin verzichtet auf Vieles, weil sie die Medaille im Auge hat. Und natürlich wird es spürbar, wenn ich zu Fuß gehe oder mit dem Fahrrad fahre statt mit dem Auto. Es kann unbequem sein. Mehr Zeit und eigene Energie kosten. Aber das kann auch gut tun, wenn ich mir bewusst werde, wozu ich das mache: etwas mehr Leben für alle.

Fragen: Rüdiger Wala