Flüchtlinge in unserer Mitte willkommen heißen

Was kann ich tun? Wie kann ich vor Ort Flüchtlingen helfen? Was brauchen die Flüchtlinge wirklich? Fragen, die sich derzeit viele Menschen in Stadt und Region Hannover stellen.

Wir haben nachgefragt: Dr. Andreas Schubert, Vorstand des Caritasverbandes, Karin Helke und Dörte Bayo, Beraterinnen in der Flüchtlingsarbeit im Interview.

Haben Sie keine Furcht auf die Menschen zuzugehen, auch wenn sie fremd sind.

Herr Dr. Schubert, vor wenigen Tagen wurde in der Presse unter dem Titel Was Flüchtlinge jetzt wirklich brauchen zu Sachspenden für Winterbekleidung und Spielzeug aufgerufen. Auch die Caritas hat daraufhin sehr viele Spenden für Ihre Einrichtungen erhalten.

Reichen die Sachspenden aus oder was brauchen die Flüchtlinge hier vor Ort wirklich?

Die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung und auch aus unseren Kirchengemeinden ist beeindruckend. Das Telefon stand zwei Wochen lang nicht still und viele Sachspenden und z.B. auch liebevoll gepackte Päckchen von Schülern aus der St. Ursula Schule haben uns erreicht. Wir sind sehr dankbar, dass wir damit vielen Flüchtlingsfamilien in unseren Einrichtungen helfen können.

Natürlich brauchen die Flüchtlinge, die oft nur mit wenig Hab und Gut hier ankommen, viele Dinge des alltäglichen Lebens, aber vor allen Dingen brauchen sie Menschen, die sie in Gastfreundschaft empfangen. Menschen, die ihnen helfen und Rahmenbedingungen schaffen, damit sie ihr Leben selbstbestimmt in Würde gestalten können.

Die Caritas hat viele Einrichtungen, die Flüchtlingen hilft, aber was können die Gemeindemitglieder vor Ort in den Kirchengemeinden tun?

Viele unserer Beratungsstellen sind mit der starken Nachfrage überlastet. Es ist daher für uns sehr wichtig, dass bereits so manche Kirchengemeinde einen Beitrag zum Willkommen und zur Integration, vielfach auch in ökumenischer Zusammenarbeit leistet. Es ist wichtig, vor Ort aktiv auf die Menschen zuzugehen und sie in unserer Mitte willkommen zu heißen. Die Flüchtlinge sind weit gereist und bei uns angekommen, aber sie sind noch nicht zuhause. Als Gemeinden können wir den Menschen dabei eine wichtige Stütze sein.

Herr Schubert, die Beratungseinrichtungen geraten an ihre Grenzen. Oft fehlt es an personellen Beratungs-, an Dolmetscher- und Vernetzungskapazitäten. Was braucht die Caritas, um den Flüchtlingen besser helfen zu können?

Vertrauen, Ressourcen und viele gute Ideen.

Vertrauen: Weil wir auf Menschen treffen, die aus einer anderen Kultur und anderen Ländern zu uns kommen und wir darauf vertrauen sollten, das auch wir durch die Menschen, die zu uns kommen bereichert werden.

Ressourcen: Vieles kostet nun erst einmal Geld. Der Sprachkurs, die medizinische Versorgung, die Behandlung eines Traumas, Wohnen und Wärme.

Gute Ideen: Wir stoßen im Rahmen unserer Arbeit täglich an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir können nur dann über uns hinaus wachsen, wenn wir gemeinsam nach Wegen und Lösungen suchen, wie wir den Menschen helfen können, sich in unserer Mitte zuhause zu fühlen.

Herr Schubert, was würden Sie zum Schluss unseren Lesern noch mit auf den Weg geben wollen?

Furcht besiegt mehr Menschen, als irgendetwas anderes auf der Welt. Dieses Zitat von Ralph Waldo Emerson gilt für die vielen Kriegszustände und Flüchtlinge auf der Welt und auch für uns Menschen hier vor Ort. Den Lesern von überMorgen möchte ich sagen, haben Sie keine Furcht auf die Menschen zuzugehen, auch wenn sie fremd sind. Haben Sie keine Furcht zu helfen, wo Hilfe notwendig ist. Haben Sie keine Furcht, denn unser gemeinsamer Glaube leitet uns.

Ein vertrautes Miteinander, wo auch gelacht werden kann?

Frau Helke, Sie arbeiten seit vielen Jahren im <link http: www.caritas-hannover.de migrationsdienst.html external-link-new-window externen link in neuem>Migrationsbereich des Caritasverbandes und beraten aktuell viele der neu zu uns kommenden Flüchtlinge aus Syrien. Wie sind Ihre Erfahrungen, was brauchen die Flüchtlinge hier vor Ort wirklich?

Gerade die neu ankommenden Flüchtlinge brauchen Menschen, die sie hier willkommen heißen, die sich für ihr Schicksal interessieren und sie über das für die Flüchtlinge vollkommen neue und unbekannte Leben in Deutschland informieren. Zu Beginn benötigen sie häufig viele lebenspraktische Informationen. Sie brauchen besonders in den ersten Wochen und Monaten Menschen, die Zeit und Geduld haben, die sie an die Hand nehmen und bei notwendigen Terminen und Behördenangelegenheiten begleiten.

Sie erfahren in der Beratung sicherlich sehr viel über die persönlichen Erlebnisse und Schicksale der Flüchtlingsfamilien. Wie gehen Sie damit um und was brauchen Sie, um täglich für die Menschen da zu sein?

Persönlich viel Kraft und Geduld. Geduld, nicht nur mit den Menschen, sondern auch mit mir und mit den Behörden und Einrichtungen, die so wichtig in den ersten Wochen sind. Kraft tanke ich im Familien- und Freundeskreis. Und im Arbeitsalltag hilft mir der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, der auf Grund fehlender Kapazitäten im Moment aber oft zu kurz kommt.

Die Zusammenarbeit mit den Familien macht mir sehr viel Freude. Ich erlebe so viel Dankbarkeit, viele kleine und große Fortschritte und erfahre so viel über fremde Kulturen, Länder und Lebensweisen. Trotz sprachlicher Schwierigkeiten spüre ich mehr und mehr ein vertrautes Miteinander, wo auch gelacht werden kann, auch wenn eine Notlage sie zu mir geführt hat.

Respekt, positive Zuwendung und ein wirklich offenes Ohr.

Frau Bayo, Sie arbeiten seit zwei Jahren in den Wohnheimen für Flüchtlinge der Caritas. Wie lange leben die Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft und was brauchen die Flüchtlinge Ihres Erachtens wirklich?

Die Wohndauer unserer Gäste ist sehr unterschiedlich und abhängig von der individuellen Aufenthaltssituation. Sie reicht aktuell von ein paar Monaten bis hin zu 10 Jahren. Was brauchen die Flüchtlinge? Spontan würde ich sagen: Respekt, positive Zuwendung und ein wirklich offenes Ohr. Die Erwachsenen, die bereits länger hier leben, brauchen Arbeit oder zumindest eine Aufgabe.

Ein wirklich offenes Ohr. Was heißt das konkret?

Es ist wichtig, den Menschen zuzuhören. Sie haben viel erlebt und es ist wichtig, dass sie darüber sprechen können. Aber es heißt auch, den Flüchtlingen vieles zu erklären. Deutsche Strukturen und Gepflogenheiten, Mülltrennung, Regeln des Zusammenlebens und behördliche Notwendigkeiten funktionieren im Alltag nicht auf Anhieb. Wirkliches Zuhören und zugewandtes Erklären hilft den meisten mehr, als das ihnen etwas gut gemeintes übergestülpt und aufgedrängt wird.

Viele Menschen aus der Nachbarschaft und aus unseren Kirchengemeinden wollen helfen. Wobei brauchen Sie ganz konkret in den Wohnheimen Unterstützung?

Wir würden uns freuen, wenn Gemeinden die Flüchtlinge in ihre Gemeindearbeit einbeziehen. ber Gesprächskreise, Basare, Aktionen wie Straßenfeste und adventliche Veranstaltungen können positive und dauerhaft währende Kontakte hergestellt werden. Ganz konkret brauchen wir ehrenamtliche und finanzielle Unterstützung. Wir bieten z.B. im Wohnheim Sprachkurse an und suchen jemanden, der vormittags zweimal die Woche 23 Stunden während des Kurses die kleinen Kinder betreuen würde.

Und um die Sprachkurse auch weiterhin anbieten zu können, sind wir immer wieder auf Geldspenden angewiesen. Für die Flüchtlinge ist es außerdem sehr wichtig, Kontakte zur Heimat und zu Angehörigen aufrecht zu erhalten. Deshalb brauchen wir eher Briefmarken, Geld für Handyladekarten oder auch für Fahrkarten, rezeptfreie Medikamente und medizinische Gutachten.

Das klingt schon sehr konkret. Brauchen Sie auch noch Sachspenden, wie Bekleidung oder Spielzeug?

Wir wissen, dass es wirklich gut gemeint ist und wir haben in den letzten Wochen auch viele Spenden verteilen können. Aber aktuell brauchen wir keine Bekleidung, kein Spielzeug und auch keine Fahrräder mehr. Unsere Bewohner sind damit gut versorgt und wir können in den Einrichtungen aus Platzgründen auch nichts einlagern.

Wir brauchen eher TV-SAT-Receiver, um die Heimatprogramme der Flüchtlinge empfangen zu können. Auch Pampers und neuverpackte Babyflaschen, Nuckel, Säuglings- und Kleinkindausstattung wären hilfreich.

Allen Interviewpartnern sei herzlich gedankt für die offenen Worte, hilfreichen Informationen und wichtigen Hinweise.

Wenn Sie die Flüchtlingsarbeit der Caritas ehrenamtlich unterstützen möchten, wenden Sie sich gerne an:

Caritasverband Hannover e. V.
Referat Caritas und Kirche Leibnizufer 13 - 15
30169 Hannover

Ansprechpartnerin:
Ulrike Branahl
Telefon: 0511 12600-1040
E-Mail: <link>u.branahl@caritas-hannover.de 

Für inhaltliche Fragen zur Flüchtlingsarbeit und zur Arbeit in den Flüchtlingswohnheimen stehen Ihnen Dörte Bayo und Karin Helke gerne Rede und Antwort.

Karin Helke
Telefon: 0511 12600-1050
E-Mail: <link>migrationsdienst@caritas-hannover.de

Dörte Bayo
Telefon: 0511 3883602
E-Mail: <link>wohnheim-rumannstrasse@caritas-hannover.de

Mit Ihrer Spende können wir helfen. Wir sorgen dafür, dass jeder Euro dort zum Einsatz kommt, wo keine anderen Finanzmittel aufgebracht werden können.

Spendenkonto
Bank für Sozialwirtschaft AG
Zweck: Flüchtlingshilfe
IBAN: DE92251205100001414206
BIC: BFSWDE33HAN

Christiane Kemper