Fragen, Konzerte und Herzblut

300 Jahre Basilika St. Clemens in Hannover: Ein Jahr lang wurde der Geburtstag der katholischen Mutterkirche in der Landeshauptstadt gefeiert ? mit über 80 Veranstaltungen. Was bleibt vom Jubiläum?

Große Konzerte, Theater und Kabarett, Diskussionsreihen über politische und soziale Fragestellungen, drei Monate Ausstellung im Historischen Museum, feierliche Gottesdienste und fröhliche Feste das Jahr rund um das 300-jährige Jubiläum der Basilika St. Clemens war gut ausgefüllt: Es war intensiv, es war ereignisreich und es hat uns viele gute Impulse gegeben, fasst Propst Martin Tenge, Regionaldechant und Hausherr der Basilika, zusammen. Vor allem, weil sich das Jahr anders entwickelt hat, als im Vorfeld gedacht nicht vorrangig binnenkirchlich, sondern in Richtung kumene, interreligiöser Dialog und Frage: Wie stehen wir in der Gesellschaft da?.

Eine wesentliche Erfahrung: Wir haben eine große Offenheit und Neugier gespürt, erläutert Tenge. Gleichzeitig sei die auch herausgefordert worden: Zeigt euch mehr in der Welt, nehmt wahr, wie die Menschen leben. Ein Beispiel: Hannover führt im Großstadtvergleich die Statistik der Ein-Personen-Haushalte an. Da gibt es sicher auch viel Erfahrung von Einsamkeit, ist Tenge überzeugt und es ist eine Aufgabe, die bisher noch nicht so im Blick war: Da hat man uns etwas ins Stammbuch geschrieben.

Die zweite Erfahrung: Gerade über unsere kulturellen Veranstaltungen haben wir Menschen erreicht, mit denen wir sonst kaum ins Gespräch gekommen wären, sagt Tenge. Ein Eindruck, den die Koordinatorin des Jubiläums, Charlotte Jarosch von Schweder bestätigt: Vor dem Jubiläum war die Basilika als Ort von Kunst und Kultur nicht so präsent. Das hat sich geändert und neue Kooperationspartner finden lassen.

Kultur als Schnittstelle mit der Stadt

Wir müssen jetzt überlegen, wie wir diese Kooperation weiter fortsetzen können, betont Charlotte Jarosch von Schweder. Dabei hat sie nicht nur die Basilika im Blick, sondern alle Kirchorte in der Region Hannover: Kunst und Kultur kann eine wesentliche Schnittstelle mit der Stadtgesellschaft sein. Es geht nicht darum, jetzt möglichst viele Konzerte zu veranstalten. Aber darum, sich mit ausgewählten kulturellen Veranstaltungen in der Stadt und der Region als Ansprechpartner zu zeigen, auch Akzente zu setzen. Eine Aufführung, wie beispielsweise die des Paulus-Oratoriums, ist nicht nur ein Konzert. Es zeigt auch wesentliche Fragen von Religion und Glaube auf. Auch bei der Ausstellung im Historischen Museum seien kritische Frage bewusst nicht ausgespart, sondern thematisiert worden: Sei es durch Exponate oder durch Begleitveranstaltungen.

In einem sind sich Tenge und Jarosch von Schweder einig: Ohne ein engagiertes Team aus Ehren- und Hauptamtlichen wäre eine solches Jubiläum nicht möglich gewesen. Auch, weil die Besucherzahl bei den meisten Veranstaltungen höher lag als erwartet. Das lag daran, dass sich so viele Katholikinnen und Katholiken mit Herzblut eingebracht haben, sind beide überzeugt.

Dieses Herzblut attestieren sie auch der Schirmherrin und dem Schirmherrn des Jubiläums, der Landesbeauftragten für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf und Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok. Ihr Einsatz hat doch zu einer engen Verzahnung mit der bunten Stadtgesellschaft geführt, würdigt Tenge ihre Präsenz mit Grußworten, Diskussionsbeiträgen bis hin zu Gastpredigten beim Abschlussgottesdienst: Sie haben uns damit im positiven Sinn auch gefordert, meint der Propst. Gleichzeitig habe sich der Blick auch auf die Universalität von Kirche und Stadt geweitet auf die Vielfalt der Nationen, Kulturen und der Religionen: Das finde ich ziemlich großartig.

Zum Fazit eine Jubiläums gehört für Charlotte Jarosch von Schweder auch der Dank an die Förderer und Sponsoren: Zum einen, weil ohne sie das Jubiläum in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Zum anderen haben sich spannende Begegnungen und Diskussionen ergeben auch und gerade mit Unternehmen, die nicht aus dem kirchlichen Bereich kommen.

Leitfrage: Wie würdigt Geschichte die Zukunft?

Gab es auch Schattenseiten beim Jubiläum? An einigen Stellen sind wir natürlich an unsere Grenzen gestoßen, das war schon eine große Belastung, sagt Jarosch von Schweder. Tenge gibt noch eine weitere Frage zu bedenken: Ist das, was sonst wichtig ist, auch im Jubiläumsjahr wichtig genug geblieben?

Für den Propst bleibt aber auch die geschichtliche Perspektive des Jubiläums wichtig. Schließlich lautete der Leitgedanke: Zukunft würdig Geschichte. Die Fragen, wo kommen wir her und wie können wir das ins Heute übersetzen, forden uns immer wieder heraus, meint Tenge. Wieder ein Beispiel: die sanierte Krypta unter der Basilika, die im Jubiläumsjahr eröffnet werden konnte. Kirchen seien Zeichen der Hoffnung. Deshalb wurden die evangelische Marktkirche und die Basilika St. Clemens nach dem Zweiten Weltkrieg vorrangig wieder aufgebaut. Heute müssen wir ein anderer Hoffnungsort für die Menschen sein, betont Tenge: Mit einer Krypta, die dazu einlädt, dass dort Trauer und seelischer Ballast abgelegt und neue Kraft und Zuversicht geschöpft werden kann. So würdigt Zukunft Geschichte

Rüdiger Wala