Generation flexibel

In keiner Altersgruppe gibt es so viele Katholiken in Hannover wie unter den 18- bis 29-Jährigen. Gelingt es der Kirche, ihnen Orte zum Andocken zu bieten? Propst Martin Tenge über eine Generation auf dem Sprung - und eine Kirche, die auf Dauer und Verbindlichkeit angelegt ist

Herr Propst Tenge, von allen Altersgruppen in der Stadt Hannover ist unter den 18- bis 29-Jährigen der Anteil der Katholiken am größten. Kann man sagen, dass die Katholische Kirche in der Region Hannover eine junge Kirche ist?

Auf jeden Fall ist sie jünger als man denkt - und auf den ersten Blick wahrnimmt. Hannover ist ein Ballungsraum, in den viele junge Arbeitnehmer, Studierende und Familien zuziehen. Als ich im Vorfeld der Visitation von Bischof Norbert die statistischen Zahlen recherchiert habe, waren da erstmal Staunen und Freude. So schlimm sieht es also gar nicht aus mit der Zukunft der Kirche in Hannover, dachte ich. Aber es hat mich auch betroffen gemacht, dass ich überhaupt keine Ahnung von diesem Phänomen hatte. Warum nehme ich die Präsenz der jungen Leute nicht wahr? Wenn ich jetzt darauf achte, sehe ich in den Gottesdiensten in St. Clemens tatsächlich relativ viele junge Erwachsene. Aber ich weiß nichts von ihnen, weiß nicht, ob sie irgendwo in einer Gemeinde oder Gruppe Anschluss gefunden haben.

Die meisten Gemeinden sind auf der Suche nach Nachwuchs. Warum ist es so schwierig, dass die Gemeinden und die zugezogenen jungen Katholiken zueinander finden?

Gemeinden sind auf Stabilität und Dauerhaftigkeit angelegt. Diese Generation dagegen ist darauf getrimmt, sich ständig zu verändern. Flexibilität ist eine der wichtigsten Anforderungen geworden. Nächstes Jahr heiratet in St. Clemens ein Paar. Die beiden pendeln zwischen Düsseldorf und Berlin. Hannover haben sie sich als Ort zu Heiraten ausgesucht, weil es auf halber Strecke zwischen beiden Städten liegt. Das ist eine ganz andere Lebenswirklichkeit. Wer in einer Gemeinde Anschluss finden will, muss sich oft selbst auf den Weg machen und schon vieles mitbringen: Kenntnisse über die Strukturen, Durchhaltevermögen und eine hohe Identifikation. Man muss immer wieder anklopfen, bevor es vielleicht gelingt, in den Inner Circle aufgenommen zu werden. Ein wichtiger Bezugspunkt zur Kirche sind natürlich Kinder. Aber das Kinderkriegen verschiebt sich in den Biografien immer weiter nach hinten. Für viele Unter-30-Jährige ist das noch gar kein Thema. 

Sie waren bis 2008 Jugendseelsorger im Bistum Hildesheim und kennen viele aktive Christen aus der Generation, von der wir sprechen, gut. Wie nehmen Sie diese Generation wahr?

Wenn die jungen Erwachsenen das Elternhaus verlassen, verlieren sie auch ihre Heimat in einer Gemeinde. Damit geht oft einher, dass sie eine kritische Distanz zur Kirche entwickeln. Das ändert sich, wenn sie selbst Eltern werden: Dann kommen alte, positive Werte aus der eigenen Kindheit wieder hoch. Ich denke, von der Kirche brauchen junge Erwachsene nicht einfach Freizeitangebote. Was wir ihnen anbieten, muss etwas mit ihrem Leben zu tun haben. Zu dem Glaubenskurs, den ich im Sommer 2012 zum ersten Mal angeboten habe, sind auch viele Teilnehmer um die Dreißig gekommen - ohne, dass er explizit an sie gerichtet war. Für diese Altersgruppe möchten wir in diesem Jahr einen eigenen Kurs anbieten.

Was müsste passieren, damit sich junge Erwachsene in der Kirche zu Hause fühlen?

Wir müssen uns erst einmal fragen: Sind wir selbst überzeugt, dass wir ein gutes Produkt anzubieten haben? Es wäre wenig hilfreich, mit dem Anspruch auf die jungen Leute zuzugehen: "In diesem oder jenem Kreis brauchen wir neue Leute" oder: "Ihr müsst dafür sorgen, dass der Laden weiterläuft." Stattdessen sollten wir fragen, was die jungen Erwachsenen brauchen. brigens erzählen die Evangelien auch von Begegnungen, die punktuell bleiben. Der so genannte "reiche Jüngling" ging weg, ohne dass wir wissen, was aus ihm geworden ist. Das steht  im Gegensatz zu der Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit, die wir oft fordern. Wenn Kirche und Gemeinde jungen Erwachsenen Heimat bieten wollen, müssen sie die Faszination des Evangeliums ausstrahlen.

Angebote in der Kirche und im Caritasverband von und für junge Erwachsene:

<link http: www.junge-erwachsene-hannover.de external-link-new-window externen link in neuem>Initiative junge erwachsene in Hannover

Im Jugendpastoralen Zentrum Tabor treffen sich junge Menschen zwischen 20 und 35, Singles und Paare, Berufstätige und Arbeitslose, Studierende und Auszubildende.

<link http: www.exodus-gemeinschaft.de external-link-new-window externen link in neuem>Exodus

Einmal im Monat einen besonderen Gottesdienst feiern - mit mehr Musik, mehr Leben, mehr Gemeinschaft

<link https: soundcloud.com exodus-radiobeitrag-1 external-link-new-window externen link in neuem>Radiobeitrag von Bernhard Tups über den Exodus-Gottesdienst 

<link http: www.caritas-hannover.de balu_und_du.html external-link-new-window externen link in neuem>Balu und du

Grundschulkinder (Moglis) suchen große Freunde zwischen 18 und 30 Jahren (Balus), die mit ihnen Freizeit verbringen und ihre Entwicklung begleiten.

<link http: www.caritas-hannover.de migration_jugendmigrationsdienst.html external-link-new-window externen link in neuem>Bildungsberatung beim Jugendmigrationsdienst der Caritas

Der Jugendmigrationsdienst unterstützt junge Zugewanderte dabei, ihre Kenntnisse, Qualifikationen und Potenziale zu nutzen. Im Mittelpunkt stehen die Beratung zum Erwerb der Hochschulreife, zur Hochschulausbildung und zum Berufseinstieg nach dem Studium.

Annedore Beelte