Glauben und Leben unter einem Dach
Die Pfarrgemeinde St. Godehard in Hannover hat einen großen Glaskubus in ihre Kirche Christkönig gebaut. Und so die Kirche vor der Profanierung gerettet. Das Pilotprojekt in Hannover- Badenstedt ist gewagt und zukunftsweisend.
Denn 2008 stand die neu fusionierte Pfarrgemeinde St. Godehard vor einer schweren Entscheidung: Sie sollte entweder Christkönig oder die Kirche Maria Trost in Hannover-Ahlem aufgeben. Die Pfarrei sollte von vier auf drei Kirchorte reduzieren. Stattdessen kam die Idee auf: Warum nicht lieber Pfarrheime und häuser langfristig vermieten und mit dem Geld alle Kirchen halten?
<link presse news-anzeigen artikel damit-unsere-gemeinschaft-waechst-und-gedeiht external-link-new-window externen link in neuem>Im Pfarrhaus von Maria Trost wohnen jetzt behinderte Jugendliche. Pfarrhaus und heim von Christkönig konnten 2016 für zehn Jahre an die Stadt Hannover vermietet werden. Die Nutzung der Immobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen wird vorbereitet. Beide Kirchen sind damit finanziell abgesichert. Doch als man frühzeitig am Standort Christkönig mit einem möglichen Verzicht auf beide Immobilien zu planen anfing, war schnell klar, dass Ortsteam, Gemeindecafé und alle anderen Gruppen der lebendigen Gemeinde Räume brauchen werden. Also wurde 2014 ein Architektur-Wettbewerb vom Bistum Hildesheim finanziert. Die nicht ganz einfach Aufgabe: Gemeinderäume in der 60er-Jahre-Kirche Christkönig selbst realisieren.
Engel als Form des Glaskubus
Durchgesetzt hat sich der Entwurf von Diplom- Architekt Christian Stock vom Architekturbüro k+a. Er setzte die Gemeinderäume zwischen Altar und Orgel in einen Kubus aus Glas und Holz. So ist der Kubus von allen Seiten begehbar. Ich habe mich bei der Form des Kubus vom Engelmotiv der Orgel leiten lassen, sagt Architekt Stock. Das Dach ahmt die Flügelform der Orgel nach. Im hinteren Bereich des Kubus liegen versteckt eine separate Küche und Toiletten. Holzlamellen an den Seiten des Kubus und auf seinem Dach nehmen ihm die Strenge. Um Licht in die Kirche und den Kubus zu bringen, wurden drei große bodentiefe ffnungen links und rechts des Kubus neu geschaffen. Für Architekten Stock ist es etwas ganz Besonderes, am Umbau einer Kirche mitzuwirken. Das ist eine der schönsten Sachen, die man sich als Architekt vorstellen kann, sagt er.
Glauben und Leben klar getrennt, aber unter einem Dach
Pfarrer Wolfgang Semmet, der 2016 als neuer Pfarrer zum Projekt dazu stieß, konnte sich schnell für die ausgefallenen Pläne seiner Gemeinde erwärmen: Glauben und Leben gehören zusammen. Aber sie sind auch für sich abgeschlossene Bereiche, sagt er. Darum sei es wichtig, dass der Kubus in sich geschlossen ist. Gerade aus liturgischen und theologischen Gründen ist die Trennung wichtig, erklärt er.
Während des Umbaus stellte sich heraus, dass mit dem neuen Raumgefühl auch neue Ideen kamen. Wir haben mit dem Umbau die Chance bekommen, die Kirche an sich auch noch einmal neu zu gestalten, sagt Pfarrer Semmet. Sie soll jetzt in drei Bereich geteilt werden: Altar- und Gottesdienstbereich bilden mit dem Wandbild vom Künstler Heiner Klug weiterhin den zentralen Raum. In ihm eingebettet liegen zwischen Altar und Orgel die Gemeinderäume. Und rechts vom Altar ist in einem Seitenschiff ein Kapellenbereich entstanden. Eine Darstellung vom Kreuzweg Jesu Christi ist hier bereits neu angebracht worden.
Kosten: 500.000 Euro
Ungefähr eine halbe Million Euro kostet der Umbau insgesamt. Den Großteil der Kosten hat die Gemeinde durch die Vermietung an die Stadt gedeckt. Einen Zuschuss von 11.000 Euro hat das Bonifatiuswerk gegeben. Den Rest finanziert die Gemeinde aus Rücklagen und Spenden. Seit knapp einem Jahr baut sie ihre Kirche schon um. Die Gottesdienste für die rund 2.600 Katholiken, die dem Kirchort zugeordnet sind, finden seitdem in der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde statt.
Die Gemeinde nimmt sehr großen Anteil am Umbau, sagt Pfarrer Semmet. Bei einer Baustellenführung kamen 140 Besucher. Und von denen kam viel Lob. Meiner Meinung nach liegt das daran, dass wir als Gemeinde an jedem Schritt des Prozesses beteiligt worden sind, sagt Gerdhard Weinreich. Er ist stellvertretender Kirchenvorstandsvorsitzender und erinnert sich an manche heiße Diskussion. Zum Beispiel weil dem Kubus rund die Hälfte der Sitzplätze in der Kirche weichen mussten. Ein 12- köpfiges Projektteam koordiniert den Umbau. Für ihn und die anderen war der Entwurf von Architekt Stock Liebe auf den ersten Blick. Pfarrer Semmet ergänzt: Alles ist hier unter einem Dach möglich. Das Filigrane und Leichte des Entwurfs hat mich gleich begeistert.
Pilotprojekt im Bistum Hildesheim
Für Dom- und Diözesanbaumeister Norbert Kesseler ist der Umbau von Christkönig ein Pilotprojekt: Ich bin ein starker Verfechter davon, die Kirchen zu halten und eher auf Pfarrheime und häuser zu verzichten, sagt er. Der Versammlungsort der Gemeinde ist und bleibt die Kirche. Darum halte ich die Entwicklung in Christkönig für ein Zukunftsmodell. Viele Kirchen im Bistum seien ebenso wie Christkönig in den 60er Jahren gebaut und könnten ähnlich umgebaut werden. Wenn die Kirche denkmalgeschützt ist oder in sich geschlossen gestaltet ist, geht ein solcher Umbau natürlich nicht, sagt Kesseler. Den Umbau hier finde ich richtig gelungen und Ausdruck einer neuartigen Denke.
Am 24. September wird die Kirche Christkönig dann wieder geöffnet werden und auch Besuchern offen stehen.
Marie Kleine