In Farbe und Geschichte: Türkisch-deutsche Begegnungen

Kunst- und Kulturprojekt „Tandem“zeigt bis Anfang März Aquarelle und Porträts in der Fabi Hannover

Es geht um Sprache, um Kultur und Traditionen – und manchmal auch um Klischees, Geschichten und in diesem Fall Aquarellfarben: Bei „Tandem“ in der Katholischen Familienbildungsstätte Hannover kommen einmal in der Woche türkische und deutsche Seniorinnen zusammen.

Seit dem Jahr 2009 läuft das Projekt, bei dem sich Frauen als Tandem finden, die sich wohl sonst nicht getroffen hätten. Geschweige denn, um zu erzählen, zu kochen oder zu malen. Unterstützt werden sie von der Fabi und dem Verein Can Arkadas, der sich seit seiner Gründung 1988 neben Beratung und Betreuungsaufgaben auch für das interkulturelle Miteinander in Hannover einsetzt.

Jetzt also Aquarelle: Noch bis Anfang März stellen die Frauen die Ergebnisse aus einem Malprojekt vor, das „Tandem“ in den letzten drei Jahren begleitet hat. Angeleitet von Kunstpädagoginnen haben die unter anderem gegenseitig Porträts gezeichnet. Doch dabei ging es nicht nur um Farb- und Pinselstrich: das Zeichnen von Gesichtern und zudem das Kolorieren von Motiven von Flora und Fauna, die mit der eigenen Lebensgeschichte war Anlass zum Erzählen. Von Geschichten, von Traditionen, manchmal auch von Klischees. Beim Aquarellmalen haben die rund 15 Frauen gezeigt, dass man über das Mittel Malerei eng in Austausch kommt – über Sprachbarrieren hinweg.

„Tandem eröffnet ganz viele Möglichkeiten“, sagt Mechthild Bürgel, eine der ehrenamtlichen Leiterinnen des Projekts. Viele der Seniorinnen haben durch das Projekt Zugang zu Kunst, Musik und Literatur beider Länder erhalten. Die interkulturelle Gruppe unterstützt einander über die Treffen hinaus. Als das Erdbeben 2022 die Türkei erschütterte, waren auch viele aus der Tandem-Gruppe betroffen und teilten ihre Sorgen. Politik lassen sie bei ihren Gesprächen raus – aber Religion, kulturelle Wurzeln oder die Situation von Frauen in einer immer noch eher männlich geprägten Welt sind oft ein Thema.

Umso passender kam die Ausstellung „Islam in Europa. 1000-1250“ im Hildesheimer Dom, die die Gruppe besuchte. „Es ist spannend, welche Traditionen der Islam hat, vieles war ganz neu für uns“, sagt Sevim Keske, die ebenfalls ehrenamtlich die Gruppe leitet. Durch „Tandem“ haben die Frauen neue Freundschaften geschlossen: „Wir sind wie eine Familie geworden“, sagt Sevim Keske. Für einige ist das wöchentliche Treffen eine seltene Gelegenheit, Deutsch zu sprechen. „Im Alltag sprechen wir fast nur Türkisch, da vergisst man einiges“, sagt Keske.

Mehr noch: Klischees, die gegenseitige Vorstellung übereinander, können sich durch die Begegnung ändern. „Die Türkinnen gelten als temperamentvoller, als beweglicher, die Deutschen sehr aufmerksam und eher zurückhaltender“, beschreibt es Keske, um hinzufügen: „Die Türkinnen sind etwas deutscher geworden, die Deutschen etwas türkischer. Eine gute Sache.

  • Die Bilder werden noch bis Anfang März in der Fabi Hannover (Goethestraße 31) zu sehen sein. Gefördert wurde „Tandem“ zuletzt vom Fond „Wir 2.0“ der Stadt Hannover. Im kommenden Jahr unterstützen der Bezirksrat Mitte sowie die Region Hannover das Projekt.

pkh