Landesprogramm „Sprach-Kitas“ reicht nicht aus

Kita-Fachkräfte fordern Nachbesserung und die Förderung aller Kinder

Die Sprachfähigkeit von Schulkindern nimmt ab. Umso wichtiger sei es, Kinder bereits früh in ihrer Sprachentwicklung zu fördern. In diesem Sommer endet die Förderung durch den Bund, das Land Niedersachsen springt für zwei Jahre ein – inhaltlich bleiben viele Fragen offen. Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung, zu der die Caritas in Hannover eingeladen hatte, blickten mehr als 40 Fachkräfte und Einrichtungsleitungen unterschiedlichster Träger auf die Erfolge Ihrer Arbeit zurück und gleichzeitig in eine ungewisse Zukunft.

“Die zwei Jahre sind erstmal ein Zugeständnis und kamen nur zustande, weil die Kitas bundesweit Druck gemacht haben”, stellt Nicole Wilke, Abteilungsleiterin bei der Caritas, fest. Sprachförderung sei zwar ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Bestandteil des Programms. Der Erfolg der Sprach-Kitas beruhe auf einem ganzheitlichen Blick auf frühkindliche Bildung. Über 6.000 Einrichtungen deutschlandweit beteiligten sich mit diesem Ziel am Bundesprogramm Sprach-Kitas.

Die Caritas hatte regionsweit zu der Veranstaltung eingeladen, um gemeinsam mit allen „Sprach“-Fachkräften Rückschau zu halten und allen zu danken, die in den letzten Jahren im Rahmen des Bundesprogramms in den Kindertagesstätten der Region Hannover tätig waren

Christina Tegtmeier, die das Programm seit Beginn inhaltlich als Fachberatung begleitet, betonte: “Wir möchten an der Qualität festhalten, die wir uns so hart erarbeitet haben. Frühkindliche Pädagogik muss auch auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren.”

Auch Pia Heinz, Leiterin der Kindertagesstätte St. Bonifatius in Wunstorf, blickt kritisch auf die neue Richtlinie der Landesförderung: “Die neue Richtlinie zielt nur auf Vorschulkinder ab. Dabei zeigen sich Auffälligkeiten bereits ab der Krippe. Je eher wir ansetzen, desto größer sind die Chancen für die Kinder.”

Durch das Bundesprogramm sei man in der Lage gewesen, Familien schon viel früher dabei zu unterstützen, gute Wege für ihre Kinder einzuschlagen sind sich Pia Heinz und Melanie Cizek-Skriboleit, Leiterin des Familienzentrums St. Maximilian Kolbe am Mühlenberg einig.

Neben der alltagsintegrierten Sprachbildung hätten im Rahmen des Bundesprogramms die Themensäulen Zusammenarbeit mit Familien und inklusive Bildung im Fokus gestanden. „Auch das Querschnittsthema Digitalisierung begleitet uns nicht zuletzt seit der Pandemie in allen Einrichtungen”, erklärt Christina Tegtmeier. “Auch wenn die Finanzierung der Stellen jetzt für zwei Jahre gesichert ist, muss diese Zwischenlösung nachgebessert werden!”

Diese Nachbesserungen fassten die Sprachfachkräfte in fünf Forderungen zusammen:

  • Mehr als nur Sprache: Ganzheitlichen Ansatz erhalten: Nur Sprachförderung in den Blick zu nehmen, reicht nicht aus. Die Bundes-Sprach-Kitas verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, der in dieser Richtlinie keine Berücksichtigung findet: Inklusive Bildung, Zusammenarbeit mit Familien und das Querschnittsthema Digitalisierung müssen als feste Säulen erhalten bleiben.
  • Alle Kinder im Blick: Vorschul-Fokus reicht nicht: In der Richtlinie muss eine klare Abgrenzung zu §31 NKitaG gezogen werden. Die Förderung innerhalb der Sprach-Kitas muss allen Kindern zugutekommen und nicht nur den Kindern im Jahr vor der Einschulung. Die übergreifenden Themenbereiche dürfen neben der Sprachförderung nicht unter den Tisch fallen.
  • Wissen als Fundament: Übergreifende Strukturarbeit weiterführen: Der Wissenstransfer durch das Bundesprogramm hält Kitas zukunftsfähig. Fachberatungen, die unter der neuen Richtlinie in das Programm einsteigen, bekommen keine inhaltliche Orientierung und müssen sich komplett selbst erarbeiten, welche Ziele eine “Sprach-Kita” verfolgt. Die inhaltliche Begleitung über das PEP-Institut oder eine andere Fachstelle und die übergreifende Strukturarbeit darf nicht wegfallen.
  • Langfristig Planen: Fachkräfte halten: Angesichts von Krieg in Europa, Fachkräftemangel und anhaltenden Fluchtbewegungen weltweit, muss die Richtlinie Sprach-Kitas dauerhaft in das NKitaG implementiert werden. Eine zweijährige Förderung schafft nur eine Verschnaufpause, um genau diese anhaltende Lösung zu gestalten. Die Ungewissheit der Weiterführung kostet die Kitas erfahrene und gut vernetzte Fachkräfte.
  • Fachliche Vielfalt: Teams multiprofessionell aufstellen: Die Stellenbesetzung auf pädagogische Fachkräfte zu beschränken, untergräbt die Ziele der Sprach-Kitas. In den vergangenen Jahren haben sich multiprofessionelle Teams bewährt. Der Einsatz von Logopäd:innen oder Sprachheilpädagog*innen trägt nicht nur kostbares Wissen in die Einrichtungen. Kinder und Familien profitieren ungemein davon, Sprachentwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im pädagogischen Bereich, ist eine Besetzung der Stellen nur mit päd. Fachkräften ohnehin kaum realisierbar.