Mehr Verständnis, weniger Verstecken

DJK-Ethik-Preis des Sports für Teresa Enke

„Das Leben festhalten“: Für ihr Engagement für eine Enttabuisierung von Depressionen ist Teresa Enke der „DJK-Ethik-Preis des Sports“. Der katholische Sportverband würdigt damit das Wirken der Hannoveranerin und der nach ihrem Mann benannten Robert-Enke-Stiftung.

Rückblick: Hannover, 10. November 2009, es ist eine Nachricht, die die Fußballwelt und darüber hinaus erschüttert: Robert Enke, Torwart des Bundesligisten Hannover 96 und der deutschen Nationalmannschaft hat sich das Leben genommen. Keine 24 Stunden später tritt seine Frau Teresa vor die Presse und berichtet von der jahrelangen depressiven Erkrankung ihres Mannes, vom gemeinsamen Kampf, das Verheimlichen vor der Öffentlichkeit, von der Hoffnung, dass am Ende Liebe doch alles heilt. 

Ein Jahr später gründet Teresa Enke zusammen mit Hannover 96, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine Stiftung, die nach ihrem Mann benannt wird. Das Ziel: Aufklärung über Depressionen, damit die Volkskrankheit besser verstanden wird und Menschen, die von ihr betroffen sind, nicht ausgegrenzt werden, sondern notwendige Hilfen erhalten. Denn Depressionen sind häufig, treffen Menschen schwer und werden immer noch gesellschaftlich unterschätzt. Ein Tabu. Nicht nur im Leistungssport.

An die Geschichte der Stiftungsgründung erinnert Dr. Andreas Philippi bei der Verleihung des DJK-Ethik-Preises in der Kirche St. Joseph in Hannover. Für den Niedersächsischen Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung haben die Worte von Teresa Enke „viele Menschen berührt und die Frage, wie wir mit psychischen Erkrankungen umgehen, ins Rampenlicht gerückt.“ Der SPD-Politiker, selbst Mediziner und Facharzt für Chirurgie, benennt psychische Gesundheit als zentrales Ziel für unterschiedliche Politikbereiche – von Bildung über das Arbeitsleben bis hin zum Sport: „Psychische Gesundheit ist ein grundlegendes Element für das Wohlbefinden einer Gesellschaft.“

So mache sich die Robert-Enke-Stiftung für ein besseres Verständnis von Depressionen stark: unter anderem mit einer Informationstour über psychische Gesundheit im Nachwuchsleistungssport, der Beratungshotline seelische Gesundheit, dem Wissensmagazin „No – Maybe – Okay / Wie geht es mir?“ für den Schulunterricht oder der „Impression Depression“. Bei diesem 2019 gestarteten Projekt können Teilnehmende per virtueller Realität erfahren können, wie sich typische Symptome einer depressiven Erkrankung anfühlen. 

Depressionen besser verstehen und akzeptieren 

„Dieser persönliche Einsatz als Botschafterin der Enttabuisierung von Depressionen gibt vielen Menschen Hoffnung und den Mut, sich ihrer emotionalen Gesundheit zu öffnen“, betont Philippi. Teresa Enkes Beitrag gehe weit über den Sport hinaus und habe dazu beigetragen, dass die Gesellschaft Depressionen besser versteht und akzeptiert. Dabei sei das Engagement der Stiftung nicht allein auf Depressionen bezogen. Auf Wunsch von Enke setzt sich die Stiftung auch für herzkranke Kinder und deren Eltern ein. Der zweite Schicksalsschlag, den Teresa Enke noch gemeinsam mit ihrem Mann Robert verarbeiten musste: 2006 starb ihre gemeinsame Tochter Lara, die mit einem Herzfehler geboren wurde – mit gerade mal zwei Jahren: „Auch hier stehen Sie für Mut und Mitgefühl, die Trauer in Unterstützung umwandeln."

Teresa Enke nahm den ihr persönlich zugedachten Preis ausdrücklich für das Team der Robert-Enke-Stiftung an: „Die Arbeit wird von vielen Menschen getragen und der Stiftung wohlgesonnen sind.“ Natürlich ist für Teresa Enke der 10. November vor 14 Jahren „der Tag, der alles veränderte“. Aber nicht nur im Leid: "Roberts Tod hat das Thema psychische Gesundheit in den Mittelpunkt gerückt.“ Eine weitere Erfahrung: „Hannover hat mir das Gefühl gegeben nicht allein zu sein, auch nach dem Tod Laras.“ Auch daher schöpfe sie Kraft für ihr Engagement. Das habe ihr geholfen Krankheit besser zu verstehen und zur wichtigsten Erkenntnis zu kommen: „Depression sind heilbar.“ 

Früher erkennen, schneller helfen

Aber: „Je früher sie erkannt, je schneller behandelt werden, desto besser kann geholfen werden.“ Es gelte, die Krankheit zu enttabuisieren und zu entstigmatisieren: „Dafür braucht es Anlaufstellen für Betroffenen und Angehörige, wir müssen Menschen sensibilisieren.“ Aber vor allem bracht es eines: Mehr Verständnis.“

Aktuell brauchen vor allem Kinder und Jugendliche dieses Verständnis:“ Gerade nach der Corona-Krise müsse wir ihre psychische Gesundheit in den Blick nehmen.“ Daher stehe auch die Robert-Enke-Stiftung vor neuen Aufgaben.

„Sport um der Menschen willen ist unser Leitmotiv“, unterstreicht DJK-Präsident Michael Leyendecker. Daher sei der Mensch in den Mittelpunkt zu stellen, nicht nur die Leistung: „Ihr Wirken hat den Weg für eine offene Diskussion über mentale Gesundheit im Sport geebnet“, würdigt Leyendecker die besonderen Verdienste der Stiftung um Teresa Enke.

Der DJK-Ethik-Preis des Sports ist mit 2500 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen. Damit ehrt der katholische Sportverband nach eigenen Angaben Persönlichkeiten, die sich durch herausragendes persönliches Vorbild, durch besondere Förderung sportlich fairen Verhaltens oder durch herausragende Aussagen oder Arbeiten in der christlich orientierten Sportethik auszeichnen. Neben der Dotierung besteht der Preis aus einem Acrylbild, das von der Wuppertaler Künstlerin Anja Thams geschaffen wurde – neu für die Auszeichnung 2023.

Rüdiger Wala