Mit dem Engel beim Bier am Imbiss

Im [ka:punkt] Hannover wird die Weihnachtsgeschichte mit Klemmbausteinen erzählt

Eine Praxis, eine Hügelkette, ein Imbiss, ein Krankenhaus und dann doch noch ein Stall: Im [ka:punkt] in der Innenstadt von Hannover wird die Weihnachtsgeschichte ins Heute verlegt. Mit Dingen, die fast in jedem Haushalt mit Kindern zu finden sind.

Wo würde heute einer jungen Frau die Botschaft verkündet werden, dass sie schwanger ist? Wo würde ihr Mann, der nicht der Kindsvater ist, mit einem Freund über diese Situation reden? Das waren zwei der Fragen, die sich Tim Brunke beim Bau seiner Krippe gestellt hat.

Mit gleich fünf Szenen zeichnet Brunke die Weihnachtsgeschichte nach. Zu sehen ist diese szenische Krippe im Schaufenster des [ka:punkt], dem Treffpunkt der Katholischen Kirche in der Innenstadt von Hannover. Gebaut ist sie aus Klemmbausteinen – besser bekannt als „Legosteine“ des dänischen Marktführers. Brunke ist Inhaber eines Fachgeschäftes für die Klemmbaustein und direkt gegenüberliegender Nachbar des [ka:punkt].

Der Anstoß kam von [ka:punkt]-Mitarbeiterin Ulrike Langer, ob sich Brunke eine Krippe aus Klemmbausteinen vorstellen konnte. „Mir ist es wichtig, dass wir in die Aktivitäten in unserem Treffpunkt unsere Nachbarn mit einbeziehen“, betont die Gemeindereferentin.

Es bleibt nicht nur bei der Anfrage

Aber es bleibt nicht nur bei der Anfrage: „ Das war echt spannende, weil gleich mehrere Gespräche über Gott und die Welt folgten.“ Der 43-Jährige ist evangelisch getauft, natürlich mit der Weihnachtsgeschichte groß geworden, später aber ausgetreten. „Eher aus finanziellen Gründen“, wie er einräumt. Sinn und Zweck der Kirchensteuer war dann ein Thema der Gespräche, erinnert sich Ulrike Langer. Aber schnell ging es über das reine Geld hinaus. Über die Vorstellung etwa, dass da irgend etwas im Leben wirkt und eingreift, was nicht so fassbar ist. Was Kraft gibt in schwierigen Momenten. Was stützt. Was unerwartet Freude bereitet. Womöglich Gott …

Tim Brunke bekommt vom [ka:punkt] alle Freiheiten in der Gestaltung der Krippe. Was ist zu erzählen, wie kann das mit Sets aus Klemmbausteinen ausgedrückt werden? Gemeinsam mit zwei Freunden vom Klemmbaustein-Stammtisch, Eike Böger und Johannes Stiehler, hat sich Brunke ans Werk gemacht: "Live oder auch in Videokonferenzen."

Immer wieder aber scheint dabei eine Frage durch: Wie würde die Geschichte heute ablaufen? Was würde Maria und Josef beschäftigen? Und wo? Schwangerschaften werden bei der Frauenärztin (oder Arzt) verkündet, Probleme gerade unter Männern eher beim Bier besprochen. So beginnt die Krippe in einer Arztpraxis – in der im wirklichen Spielzeugleben laut Hersteller eigentlich Tiere behandelt werden. Sie führt weiter über einen Waldspaziergang von Maria und Josef entlang einer Hügelkette: Maria berichtet Josef von ihrer Schwangerschaft. Mit einer doch heftigen Nebenbemerkung: „Du bist nicht der Vater …“

Nicht die Herberge ist überbelegt, sondern das Krankenhaus

Ein Schlag, den Josef verdauen muss und ihm zu einem Imbiss führt. Am Straßenrand, ein Kurierfahrzeug donnert vorbei. Dort spricht Josef mit dem Engel, seinem Freund. Abgewiesen wird das heilige Paar nicht vor der Herberge, sondern vor dem überbelegten Krankenhaus. „Das ist ja angesichts der aktuellen Ereignisse gar nicht so weit hergeholt“, meint Brunke. Zum Schluss  finden Maria und Josef Zuflucht in einer verlassen Hütte, dem Stall.

Im Nachhinein merkt Brunke, dass vieles von seiner persönlichen Geschichte mit eingeflossen ist. Eine unerwartete Schwangerschaft, die alles verändert? Brunke hat seine heutige Frau im Oktober 2013 kennengelernt, im Januar 2014 kündigte sich Nachwuchs an, im April zogen beide zusammen, im August wurde geheiratet, im Oktober ein Sohn geboren: „Das war schon alles sehr überwältigend.“

Und weitreichende Entscheidungen, wie Josef sie zu treffen hatte? Brunke hat seinen Laden im Oktober letzten Jahres eröffnet. Vorher hat er bei einer Versicherung gearbeitet: „Ich war aber nicht mehr zufrieden dort.“ So machte er sein Hobby, das er mit seinen mittlerweile zwei Söhnen teilt, zum Beruf. Neben Geschäftsplänen und Gesprächen mit der Industrie- und Handelskammer zur Existenzgründung, wurde einiges auch mit Freunden besprochen. Beim Bier. Wie Josef mit dem Engel. Wie bei der Weihnachtsgeschichte im Heute. Zu sehen im Schaufenster des [ka:punkt] in der Grupenstraße in der Innenstadt von Hannover.

Rüdiger Wala