Mit hundert Prozent für Kolping

Zwei Millionen Jahresumsatz, 8500 Mitglieder und 50 festangestellte Mitarbeiter - die Bilanz des Kolpingwerkes auf Bistumsebene ist beeindruckend. Doch hinter jeder Bilanz stehen engagierte Menschen. Wie zum Beispiel die Kolpingsschwester Barbara Gebbe aus Burgdorf.

Barbara Gebbe ist immer auf Achse. Das muss sie auch sein, denn sie trägt viel Verantwortung als ehrenamtliche Flüchtlingskoordinatorin der Gemeinde St. Nikolaus in Burgdorf. Die Kolpingsschwester fängt an zu strahlen, wenn sie davon erzählt, was Kirchengemeinde und Kolpingsfamilie zusammen mit ihren Kooperationspartnern in der Kleinstadt westlich von Hannover alles auf die Beine stellt: Sprachkurse für minderjährige Flüchtlinge, wochentags jeweils vier Stunden mit einer Lehrkraft und mehreren ehramtlichen Engagierten im Pfarrheim. Betriebsbesichtigungen und Praktika für Flüchtlinge samt Fahrdienst, damit sie verstehen, warum sie so viel Deutsch lernen müssen. Dass in Deutschland vieles in der Arbeitswelt technisch und über Computer gesteuert wird. Gemeinsame Fahrradtouren und jetzt seit Neuestem eine regelmäßige Fahrradwerkstatt mit Café zweimal in der Woche. Jeweils zwei Stunden am Nachmittag können die Kinder mit ihren Eltern im neu gebauten Flüchtlingswohnheim in der Nähe der Kirche an ihren zum Teil nicht mehr verkehrssicheren Fahrrädern schrauben. Gleichzeitig wird ein Café im Gemeinderaum der Unterkunft angeboten. Mehr dürfte es jetzt auch nicht mehr werden, sagt Barbara Gebbe. Die rund 110 Mitglieder starke Kolpingsfamilie sei damit voll und ganz ausgelastet. Schließlich läuft bei uns auch noch die klassische Verbandsarbeit und wir bieten auch jeden Monat eine Bildungsveranstaltung an.

Auf die Zeichen der Zeit schauen

Das herausragende Engagement ihres Verbands in der Flüchtlingsarbeit begann 2014, als das Jugendamt anfragte, ob es möglich wäre, zehn minderjährigen Flüchtlingen Deutsch beizubringen, die ohne Eltern in Burgdorf gelandet waren. Die haben wir mittleierweile alle an Schulen vermitteln können, sagt Barbara Gebbe stolz. Damit beim täglichen Unterricht alles glatt läuft, bedarf es einiger Organisation, denn im Pfarrheim der Gemeinde St. Nikolaus findet zeitgleich ein Deutschkurs für volljährige Flüchtlinge statt. Adolph Kolping hat gesagt, dass wir auf die Zeichen der Zeit schauen sollen, was zu tun ist. Beten ist gut, aber Beten allein reicht nicht, sagt Barbara Gebbe. Die meisten Kinder und Jugendlichen, die wir hier unterrichten, sind mit einer anderen Schrift und anderem Zahlensystem vertraut. Sie waren oft jahrelang von einem Elternteil oder sogar beiden getrennt und haben in Kriegsgebieten schlimme Erfahrungen gemacht. Gerade werden zwei Geschwistertrios aus dem Irak und Syrien und zwei Mädchen aus Afghanistan fit für das deutsche Schulsystem gemacht. Wir sind im Prinzip ein Ankommenskurs. Viele sind dann sehr beeindruckt, dass wir Christen so ?nett? sind. Sie verbinden mit der katholischen Kirche nur Gutes. Und sie sind immer wieder überrascht, dass wir ihnen aus Nächstenliebe helfen und kein Geld dafür wollen.

Dass schon mehrere Generationen von Kursteilnehmern das geschäftliche Treiben von Barbara Gebbe mitbekommen haben, zahlt sich auch für die Kolpingsfamilie aus. Wenn wir was Handfestes zu tun haben, frage ich nach Hilfe. Bei Veranstaltungen zum Beispiel Stühle schleppen oder im Pfarrgarten einen Schuppen aufbauen. Die Jugendlichen sind zum Teil wahnsinnig intelligent in so praktischen Dingen, das geht ruck zuck, sagt sie. Wenn die gebürtige Braunschweiger sich daran erinnert, wie sie vor vier Jahren bei Kolping in Burgdorf einstieg, muss sie lachen. Mein Mann ist bei Kolping aktiv. Und irgendwann kam der Punkt, da habe ich gesagt, ich müsste jetzt auch mal zu Kolping gehen, um meinen Mann ab und an zu sehen. Auch wenn sie auf eine sehr weltliche Art und Weise zu Kolping gekommen sei, habe sie hier auch eine spirituelle Heimat gefunden. Das Schöne an Kolping ist, dass wir wie in einer Familie unsere Talente und Qualifikationen einbringen. Wer sich bei Kolping zu einer Aufgabe bereit erklärt, der steht dann hundertprozentig dahinter. Und für jeden Job gibt es eine Ersatzliste, damit die Last auf viele Schultern verteilt wird. Bei Kolping gebe jeder, was er kann. Die Berufstätigen sind full- time mit Job und Familie beschäftigt. Manche Mitglieder sind zu alt, um sich aktiv einzubringen. Aber sie bringen sich durch Spenden, Impulse und Gebete ein. Das motiviert enorm.

Und wenn es scheitert, dann scheitert es

Die beiden Kinder von Barbara Gebbe sind fast erwachsenen. Das gibt mir als Hausfrau die Zeit, die Muße und die Freiheit, mich so zu engagieren. Ob die Fahrradwerkstatt als neues Projekt der Kolpingsfamilie zusammen mit der Diakonie und dem Nachbarschaftskreis gelingt, weiß Barbara Gebbe noch nicht. Und wenn es scheitert, dann scheitert es. Aber wenn wir nur reden und es nicht ausprobieren, werden wir es nie wissen. Ein Projekt muss gut durchdacht sein, aber irgendwann muss man auch einfach anfangen. So verstehe sie den Auftrag von Adolph Kolping heute.

Marie Kleine