Weltkirche im Kleinen

Felizitas Teske, Rektorin der katholischen Bonifatiusschule, geht in den Ruhestand

Ein Vierteljahrhundert hat Felizitas Teske die katholische Bonifatiusschule im Hannoverschen Stadtteil List geleitet. Nun ist sie in den Ruhestand gegangen. Ein Rückblick auf das, was sich verändert hat – und was bleibt.

Was ist das „Katholische“ an einer Grundschule? Vor allem an einer, die nicht von der Kirche, sondern von der Stadt Hannover getragen wird und trotzdem die Konfession im Namen trägt? Felizitas Teske hat 25 Jahre lang die katholische Bonifatiusschule in Hannover-List geleitet. Ihre klare Antwort: „Das Katholische ist das außergewöhnliche Schulleben.“ Das ist der 64-Jährigen zum Ende ihrer Zeit als Rektorin in außergewöhnlichen Zeiten wieder bewusst geworden.

Für Felizitas Teske ist das „Katholische“ das Gemeinschaftsgefühl. Nicht nur an der Schule selbst, sondern auch in den zahlreichen Kooperationen wie vor allem zur benachbarten Pfarrei St. Joseph, aber auch den anderen katholischen Gemeinden, aus denen die mindestens 70 Prozent katholischer Kinder kommen. „Wir wollten uns das durch Corona nicht wegnehmen lassen“, betont Felizitas Teske. Die „Hoch-Zeiten“ im Schulleben und im Kirchenjahr – Ein- und Ausschulung, die Feste im Jahreskreis – sollten auch in Pandemiezeiten gefeiert werden: „Es ist uns wichtig, diese Anlässe feierlich zu begehen, weil sie so eine große Bedeutung haben – und nicht nur darüber zu informieren.“

Die Teilnahme an den Gottesdiensten musste von der Kopfzahl her reduziert werden, im letzten Jahr wurde sogar zum Teil nur in der halben Klassenstärke gefeiert. Aber Maßnahmen zum Infektionsschutz brachten pädagogische Wirkungen mit sich. „Wir haben gemerkt, dass kleine Formate den Inhalt besser rüberbringen.“ Beispiel Pfingsten: Über mehrere Stunden beschäftigen sich die sechs- bis zehnjährigen Schülerinnen und Schüler mit den Symbolen, die mit Pfingsten verbunden sind – die Taube, Wind, Feuer …. Zum Schluss wurden alle Fenster geöffnet und Seifenblasen rausgepustet. Vor der Tür wurden Pfingstlieder gesungen. Stellvertretend, weil die Kinder selbst nicht singen durften.

"Religion anschaulich machen"

Aber Felizitas Teske weiß auch: „Ein Weihnachtsgottesdienst in voller Kirche – das hat auch was, das möchte man nicht missen.“ Was aber sowohl für die kleinen als auch die großen Formate gilt: Im Vorfeld haben sich die zzt. 234 Schülerinnen und Schüler intensiv mit den Festen auseinandergesetzt. Nicht nur im durchgängig erteilten Fach Religion.

„Wir müssen uns, was die religiöse Bildung betrifft, nicht ‚neutral‘ aufstellen“, sagt Felizitas Teske. Sie versteht das auch als Angebot an Familien, die die Schule für ihre Kinder gewählt haben, sich mit Fragestellungen befassen zu können, die über das Alltägliche hinausgehen. Felizitas Teske ist selbst Religionslehrerin: „Es war immer mein Anliegen, dass das, was wir im Unterricht erarbeitet haben, nicht in Mappen verschwindet.“ Ein Symbol, ein Zeichen, ein Gebetswürfel wurde mit nach Hause gegeben. Für Felizitas Teske wieder etwas, was das Katholische an der Schule widerspiegelt: „Religion anschaulich machen.“

Die Bonifatiusschule ist eine Angebotsschule, die Eltern suchen sie für ihre Kinder aus. Entsprechend kommen sie nicht nur aus dem doch eher bürgerlich geprägten Stadtteil List, sondern auch aus der ganzen Stadt. Damit auch aus Stadtteilen, in denen gesellschaftliche Problemlagen greifbarer sind. Ein Zeichen dafür: „Wir sind jetzt vom Land Niedersachen für die Stelle einer sozialpädagogischen Fachkraft ausgesucht worden.“

Ausschlaggebend dafür war die vergleichsweise hohe Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund und die schlichte Erhebung, wer die Schulbücher nicht zahlen muss. „In all den Jahren sind aus Familien auch immer Probleme in die Schule mitgebracht worden.“ Auch wenn das für das Kollegium nicht einfach war. „Wo wir helfen konnten, haben wir geholfen“, betont Teske. Wieder etwas ‚Katholisches‘: „Wenn ich so auf unser Kollegium blicke, die Menschen machen es aus.“ Und sie freut sich, dass es zukünftig noch weitere sozialpädagogische Unterstützung gibt.

"Die Kinder bekommen Vielfalt gut hin"

Noch etwas für Teske typisch Katholisches: „Wir sind eine Weltkirche im Kleinen“. Fast alle Kontinente spiegeln sich in den Gesichtern der Kinder: Afrika, Asien, Lateinamerika – und auch der östliche Teil von Europa. Für die Kinder kein Problem: „Die bekommen Vielfalt gut hin.“ Für die Lehrkräfte eine Bereicherung – auch wenn die Boni viel Förderbedarf in deutscher Sprache hat: „Dafür sind wir Weltkirche.“ Zudem gibt es herkunftssprachlichen Unterricht in Italienisch, in Polnisch und Spanisch. Wieder eine kulturelle Bereicherung des Schullebens.

Zum Profil der Boni gehört zudem die enge Verbindung mit einer Grundschule im bolivianischen Loma Alta. Seit 20 Jahren besteht die Verbindung, also fünf Grundschulgenerationen lang: Immer wieder wird auch im Unterricht Bolivien und die Partnerschaft eingeflochten, immer wird sich über Fotos, gemalte Bilder, Briefe und Mails kennengelernt. Dreimal, 2006, 2013 und 2019, war eine Gruppe aus Lehrkräften, Eltern und Kindern dort.

Doch gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich der Wert einer solchen Partnerschaft: „Das Virus hat in Bolivien verheerend zugeschlagen, das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, die Menschen drohten zu verhungern.“ Die Spendenbereitschaft der Boni-Eltern war groß und die Partnerschaft ein Garant dafür, dass die Hilfe auch wirklich ankam – in dem kleinen Ort mit seinen gerade um die 1000 Einwohnerinnen und Einwohnern, 100 Kilometer entfernt von der Millionenmetropole Santa Cruz im Tiefland Boliviens gelegen.

Was aber hat sich in den 25 Jahren grundlegend an der Boni verändert? „Was sich gesamtgesellschaftlich verändert hat, hat auch unsere Schule verändert.“ Kindheit ist anders als vor einem Vierteljahrhundert: „Positiv ausgedrückt: Die Kinder sind behüteter.“ Das führt in den Augen von Felizitas Teske aber dazu, dass ihnen in vielen Bereichen die Selbstständigkeit, der Lebensbezug fehlt. Nicht nur in religiösen Fragen, sondern auch bei Sport, Ernährung oder Neugier: „Das betrifft sowohl das Schwimmen lernen als auch mal ein Buch zu lesen, ohne mit Kindern ausdrücklich in die Schulbücherei zu gehen.“ Familiäre Aufgaben seien in die Schule verlagert worden.

Das bleibt nicht ohne Wirkung – auch auf die Boni. Ein Beispiel: „Viele Eltern, die bei uns anfragen, signalisieren uns, dass sie auf eine Ganztagsschule angewiesen sind.“ Aber das ist an der Boni, deren Gebäude aus dem Jahr 1902 stammt, ohne große bauliche Maßnahmen nicht möglich. Felizitas Teske nennt das die Ertüchtigung des Hauses für eine andere Pädagogik. Eine Hausaufgabe – vor allem für die Stadt Hannover.

  • Hinweis: Die Bonifatiusschule ist eine von insgesamt sieben katholischen Schulen in der Region, die sich zum Katholischen Schulverbund Hannover zusammengeschlossen haben. Neben vier weiteren Grundschulen, die ebenfalls in staatlicher Trägerschaft sind (H-Linden: Eichendorffschule, H-Misburg: Kardinal-Galen-Schule, H-Wülfel: Kardinal-Bertram-Schule und Lehrte: Bernward-Schule), gehören mit der Oberschule Ludwig-Windthorst-Schule und das Gymnasium St. Ursula zwei weiterführende Schulen in katholischer Trägerschaft dazu. 

Rüdiger Wala