Wie der Karneval nach Hannover kam

Vom Josephsverein zur Funkenartillerie Blau-Weiß

An diesem Wochenende und dann natürlich auch noch am Rosenmontag und Faschingsdienstag sind in Hannover Tausende Narren unterwegs. Prunksitzungen, Kinderfasching und Karnevalsumzug locken auch Nicht-Karnevalisten aus dem Haus. Doch bei allem Alaaf und Helau, kaum einer weiß, dass der hannöversche Karneval aus dem Eichsfeld stammt.

Mitten in die Hochphase der Industriealisierung Hannovers wurde1867/68 in Döhren  die zweitgrößten Wollwäscherei und  -kämmerei Deutschlands gegründet. Für diesen Betrieb fehlten in der Region die fachkundigen Arbeiter. Die wurden im katholischen Eichsfeld angeworben und brachten ihre Konfession und ihre Bräuche mit. Dazu gehörte auch der Karneval. So gründeten Katholiken 1888 in Döhren den Josephsverein und legten damit den Grundstein des Karnevals in der Leinemetropole. Im Josephsverein trafen sich Männer, die sich vor allem zwei Dinge auf die Fahnen geschrieben hatten, den Kirchbau und die Errichtung einer katholischen Schule. Aber auch die Geselligkeit kam bei den Sitzungen des Vereins nicht zu kurz. Und so wurde in den Tagen vor dem Aschermittwoch Karneval gefeiert. Aber das konnte man noch nicht mit dem vergleichen, was heute Karneval ist, sagt Martin Weber, er ist Präsident der Funkenartillerie Blau-Weiß. Damals wurde fröhlich gesungen, und es wurden kleine Einlagen und Sketche einstudiert, über die man lachen konnte. Von Tanzmariechen, Büttenreden und Karnevalssitzungen war man noch weit entfernt.

Während des Zweiten Weltkriegs ruhte der Karneval. Doch bereits 1948 gab es in Döhren wieder ein Fastnachtsvergnügen  und im Februar 1950 wurde aus dem Josephsverein heraus die Karnevalsgesellschaft Funkenartillerie Blau-Weiß Hannover-Döhren, Batterie Süd gegründet. Auch wenn dies kein kirchlicher Verein mehr war, die Verbindung zur katholischen Pfarrgemeinde gibt es heute noch. So findet die Prinzenkörung von Blau-Weiß noch immer im Pfarrheim von St. Bernward statt. Für Präsident Martin Weber, dessen Familie selbst kirchlich engagiert ist, spiegelt sich die Verbundenheit zur Kirche auch im ethischen Anspruch der Döhrener Karnevalisten wieder. Für Weber gilt: Auch im Karneval ist nicht alles erlaubt. Man verletzt niemanden und macht auch keine Witze über den Papst oder eine Nonne, genauso auch nicht über Kranke und Behinderte. Karneval will Menschen jeden Alters einfach nur schön unterhalten.

Aus dem einstigen Josephsverein hat sich ein richtiger Karnevalsverein entwickelt, bei dem man im Alter von  vier Jahren in der Kindergarde mit dem Tanzen anfangen kann. Und nach oben, so Weber, gibt es keine Grenze. Ob Kindergarde, Juniorengarde, Prinzengarde, Funkengarde oder der vereinseigene Musikzug bieten für alle Altersklassen eine interessante Freizeitbeschäftigung. Die Funkenartillerie ist ein ganz normaler Verein, bei dem die Mitglieder nicht das ganze Jahr Fasching feiern. Vielmehr besteht das Vereinsleben auch aus  Kinder- und Jugendfreizeiten, Ausflügen und Aktionen für Jung und Alt. Und als Showeinlage sind die Mädchen der Prinzengarde auch außerhalb der Faschingszeit begehrt, ebenso der Musikzug, der bei Straßenfesten oder Schützenfestumzügen ein gern gesehener Gast ist. Bei uns können Kinder, Jugendliche und Erwachsene Showtanz lernen oder das Musizieren, erklärt der Präsident. Bewegen und Musik, gepaart mit Humor ist für ihn eine gute und gesunde Mischung.

Seit 1963 wird im Rahmen der Galasitzung Döhren Alaaf der Orden honoris causa verliehen. Jedes Jahr erhält ihn ein prominenter Zeitgenosse des kirchlichen, kulturellen oder  öffentlichen Lebens. Erster Träger des Ordens war Dechant Leonard Mock. Weitere Ordensträger der katholischen und der evangelischen  Kirche sind: Pater Dr. Kurt Dehne (1966), Propst Wolfram Trojok (1972), Pfarrer Hermann Heitmüller (1976), Pater Franz Schilling (1982) und Stadtsuperintendent Wolfgang Puschmann (2004). Jüngster Ordensträger ist übrigens Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler und Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode reiht sich nun in die Riege der Ordensritter ein.

Neben den konkreten, historischen Berührungspunkten zwischen Kirche und Karneval in Döhren gibt es für Martin Weber noch einen anderen Punkt der Verbundenheit: Ohne die katholische Kirche mit dem Aschermittwoch und der Fastenzeit würde es generell keinen Karneval geben. Und so ist der Aschermittwoch für die echten Hannoveraner Narren kein Ruhetag. Neben dem traditionellen Portemonnaie-Auswaschen am Maschsee, trifft man sich zum ökumenischen Dankgottesdienst, allerdings erst zu einer karnevalistisch-humanen Zeit. Der Gottesdienst ist um 17 Uhr in der Kreuzkirche, sagt Weber, und wir danken dafür, dass wieder eine Karnevalssession gut und ohne Unfälle zu Ende gegangen ist. Und wer will, kann in diesem Gottesdienst  auch das Aschenkreuz empfangen.

(pkh)