"Wir stellen uns den Frauen an die Seite"

Fragen an Monika Wienhold-Quecke von "Donum Vitae" Hannover

Nicht erst seit dem Streichen des "Werbeverbots" für Schwangerschaftabbrüche durch den Bundestag wird wieder über den "Paragrafen 218" diskutiert. Der Verein donum vitae berät auch in Hannover Schwangere in Konfliktsituationen. Wie wird dort die derzeitige, auch innenkatholische Debatte eingeschätzt? Fragen an Monika Wienhold-Quecke.

Die Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp, hat sich in einem Zeitungsbeitrag für ein größeres Angebot für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ausgesprochen. Das betreffen sowohl Beratung als auch den flächendeckenden medizinischen Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs. Teilen Sie diese Meinung?

Zunächst einmal lese ich aus dem Beitrag in der „ZEIT“ die klare Botschaft: „Hände weg vom Paragrafen 218“! Dieser ist ein Kompromiss angesichts eines gesellschaftlichen Großkonflikts vor dem Hintergrund entsprechender Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Und zur Umsetzung gehört selbstverständlich, dass die Kommunen für ausreichend Beratungsangebote verschiedener Träger zu sorgen haben. Auch gibt es Gegenden, in denen es schwer ist, eine entsprechende medizinische Möglichkeit für einen Abbruch zu finden. Das verhindert meines Erachtens aber keine Abtreibung, sondern führt eher zu einer Art „Abtreibungstourismus“, gut zu beobachten aktuell in den USA.

Kritiker*innen der bestehenden gesetzlichen Regelung sprechen doppeldeutig von einer „Scheinberatung“. Nun stellt auch donum vitae eben jene Beratungsscheine aus, die zur Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruches notwendig sind. Was entgegnen Sie den Kritiker*innen?

Was wäre die Alternative? Keinen Beratungsschein auszustellen, führt dazu, dass die Frauen, die sich wirklich im Konflikt beziehungsweise im Zweifel befinden, diese Beratungsstellen nicht aufsuchen, sondern nur noch Frauen, die zum Austragen des Kindes entschlossen sind. Diese Hilfe ist selbstverständlich auch wichtig, stellt aber nicht die sogenannte Konfliktberatung dar. Donum vitae versucht hier also in einer sehr schwierigen Situation für diese Frauen beratend an ihrer Seite zu stehen.

Von welchen Prinzipien lässt sich donum vitae in der Beratung leiten? Wie wird die sogenannte doppelte Anwaltschaft sowohl für das Kind als auch für die Mutter umgesetzt?

Unsere Beraterinnen bei donum vitae beraten nach den gesetzlichen Vorgaben ergebnisoffen, zeigen aber ebenso deutlich die Möglichkeiten und Hilfen auf, um sich für das Kind zu entscheiden. Und das kann je nach individueller Situation ganz unterschiedlich sein.

Vor kurzem hat der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit den Paragrafen 219a, das sogenannte „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche durch Ärzt*innen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Eine sinnvolle Entscheidung?

Ich halte diese Änderung für entbehrlich, Informationen für Frauen darüber, wie ein Abbruch stattfindet und wer diesen durchführt, waren auch schon vorher verfügbar. Das Problem ist aber, dass es Kreise gibt, für die die Änderung des Paragrafen 219 a nur ein erster Schritt zu einer Abschaffung des gesamten Paragrafen 218 darstellt. Und diesem Ansinnen hat Frau Stetter-Karp eindeutig widersprochen!

Einmal grundsätzlich gefragt: Gehören Schwangerschaftsabbrüche eigentlich in das Strafgesetzbuch? Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), hat gewarnt, dass ein erschwerter Zugang zu Abtreibungen "nicht die Anzahl der Abbrüche" reduziere.

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber dafür zu sorgen, dass nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu würdigen ist, sondern auch das Recht auf Leben des Ungeborenen berücksichtigt wird. Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung, dass Länder mit einer deutlich restriktiveren Abtreibungsgesetzgebung nicht weniger Abtreibungen als Deutschland haben, sondern mehr. Unser deutsches System hat sich also sehr bewährt. Wir sollten uns davor hüten dieses in Frage zu stellen und stattdessen gesellschaftliche Spaltungen wie in den USA zu befördern.

Wie viele Frauen hat donum vitae im letzten Jahr beraten? Erfahren die Beraterinnen, wie sich die Frauen entschieden haben?

In der Beratungsstelle in Hannover gab es im vergangenen Jahr mehr als 500 Beratungen, davon 129 Konfliktberatungen. Wie die beratenen Frauen sich jeweils entscheiden, erfahren unsere Beraterinnen in der Regel nicht. Allerdings kommt es vor, dass Frauen, die sich für das Kind entschieden haben, wieder in die Beratungsstelle kommen und nach weiterer Unterstützung fragen.

Konfliktberatung ist aber nicht der einzige Schwerpunkt von donum vitae. Welche Akzente versuchen Sie in Hannover noch zu setzen?

Neben der allgemeinen Beratung geht es um die sogenannten „frühen Hilfen“, d.h. die Unterstützung während der Schwangerschaft. Unsere Beraterinnen informieren über die Möglichkeiten einer „vertraulichen Geburt“ und führen auch sexualpädagogische Workshops durch, zum Beispiel im Rahmen von „Mädchengesundheitstagen“. Ein anderer Bereich ist die Trauerbegleitung nach Fehlgeburten. Da sich unsere Beratungsstelle in Linden-Süd befindet, also einem Stadtteil mit einem höheren Anteil an Menschen mit Migrationserfahrungen, sind wir auch besonders im Rahmen von kultursensiblen Beratungen gefordert. Und wir sind auch für die Männer da in all den Fragen im Hinblick auf die Vaterschaft!

  • Monika Wienhold-Quecke ist stellvertretende Vorsitzende des Regionalverbandes Hildesheim-Hannover von donum vitae und Ansprechpartnerin für Hannover.
  • donum vitae ist ein gemeinnütziger Verein, der 1999 von katholischen Christinnen und Christen gegründet wurde. Der Verein berät bundesweit an mehr als 200 Orten. Auf Wunsch stellen die Beraterinnen den Beratungsnachweis nach Paragraf 219 StGB aus, der die Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch bildet. Die Beratungsstelle in Hannover befindet sich im Allerweg 10 im Stadtteil Linden (Telefon: 05 11 4 50 05 56 E-Mail: hannover(ät)donumvitae.org)

Fragen: Rüdiger Wala