Zukunftsberuf Erzieherin?

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in aller Munde. Betreuungsangebote werden ausgebaut und der Anspruch auf einen Kindergartenplatz ist politisch gesetzt. Aber wer betreut die Kinder? In Kitas fehlen die Fachkräfte. Hat der Beruf der Erzieherin an Attraktivität verloren? Nicole Wilke und Ulrich Bensmann, Fachberater für Kitas bei der Caritas, über Ursachen, Berufsbild und Wünsche.

Herr Bensmann, alle Kommunen strengen sich an, den gesetzlichen Anspruch auf Betreuungsplätze umzusetzen und das Angebot für Familien zu verbessern. Sie schaffen damit auch neue Arbeitsplätze für junge Menschen. Aber gleichzeitig beklagen viele Träger und Verbände einen hohen Mangel an Fachkräften in Kindertagesstätten. Sie sind seit 12 Jahren in der Fachberatung für Kitas tätig. Wo sehen Sie die Ursachen für den Mangel an Erzieherinnen und Erziehern?

Richtig ist, dass mit dem Rechtsanspruch für einen Kitaplatz unter drei Jahren kein Ausbau der Ausbildungsplätze für Erzieherinnen einherging. Das wäre Ländersache gewesen. Jetzt, sechs Jahre, nachdem der Bundestag das Gesetz verabschiedet hat, fehlen uns ausgebildete Fachkräfte. Sie fehlen aber auch, weil wir insgesamt einen wachsenden Fachkräftemangel in vielen Berufen erleben, mit der Folge, dass Firmen schon heute mit finanziellen Anreizen Auszubildende locken oder mit dualen Studiengängen werben. Dagegen steht eine vierjährige Erzieherinnenausbildung ohne Ausbildungsvergütung und zum Teil noch mit Schulgeld. Eine Bezahlung während der Ausbildung wäre ein wichtiger Schritt gegen den Fachkräftemangel.

Frau Wilke, Sie waren selbst lange als Erzieherin und als Leiterin einer Kindertagesstätte tätig. In den letzten Jahren hat sich sicherlich viel verändert. Wie sehen Sie heute den Beruf der Erzieherin?

Die Kita hat sich gewandelt von einer reinen Betreuungseinrichtung zu einer Bildungseinrichtung für Kinder und deren Familien. Viele der Einrichtungen verändern ihr Betreuungsangebot und erweitern um Krippengruppen. Andere entwickeln sich weiter zu Familienzentren. Meines Erachtens eine sinnvolle Antwort auf die veränderten Bedarfe von Familien und auf die steigenden Erwartungen von Staat, Schule und Eltern an die Einrichtungen. Die steigenden Anforderungen an die pädagogischen Mitarbeiterinnen zu erfüllen ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen schon eine große Herausforderung.
Dennoch bleibt das Berufsfeld Erzieherin ein spannendes und abwechslungsreiches Arbeitsfeld. Mit steigenden Ansprüchen an die Qualität der Arbeit steigen auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten der ErzieherInnen. Fachliche Weiterentwicklung und Fortbildung gehört mehr denn je zu den Hauptaufgaben und sind eine Chance.

Sozialökonomen gehen davon aus, dass in Deutschland bereits jetzt weit über 25.000 Erzieher fehlen. Herr Bensmann, was müsste denn passieren, damit sich junge Frauen und Männer heute für den Beruf der Erzieherin/des Erziehers entscheiden?

Wie viele Erzieherinnen und Erzieher uns tatsächlich fehlen werden, wissen wir nicht wirklich. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind unter drei in Anspruch nehmen bzw. nehmen müssen, denn die berufliche und finanzielle Situation von Familien lässt eine wirklich freie Entscheidung oftmals nicht zu.
Im brigen brauchen wir nicht nur mehr Erzieherinnen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen, wir brauchen viel mehr Erzieherinnen, um eine qualitativ angemessene Erziehung, Betreuung und Bildung gewährleisten zu können. Das wiederum bedeutet, dass die Gruppengröße erheblich verringert werden muss. Das Bündnis für Kinder in Niedersachsen fordert in der aktuellen Volksinitiative zum Beispiel für die Krippe eine Erzieherin für vier Kinder im Alter von 1,5 -3 Jahren.

Die Kindertagesstätten des Caritasverbandes unterstützen aktiv die Forderungen der Volksinitiative. Warum?

Weil sie genau Ihre Frage danach, was passieren muss, um mehr junge Menschen für den Beruf der Erzieherin zu gewinnen, beantwortet. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, insbesondere kleinere Gruppen, die es zulassen, dass Erzieherinnen die Aufträge aus dem niedersächsischen Orientierungsplan erfüllen können und die es Erzieherinnen erlauben, den Beruf bis ins Rentenalter auszuüben. Damit vergrößern wir die Attraktivität dieses Berufes und schaffen auch die dringend notwendige Anerkennung für diesen Zukunftsberuf.

Der Caritasverband Hannover e. V. ist Träger von 15 Kindertagesstätten und wird auch in Zukunft viele Erzieherinnen und Erzieher benötigen. Herr Bensmann, was tut die Caritas neben der Volksinitiative konkret, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und den Beruf der Erzieherin/des Erziehers attraktiv zu gestalten?

Die Rahmenbedingungen, die einen Fachkräftemangel entgegen wirken könnten, müssen von Seiten des Landes und des Bundes geschaffen werden. Wir nutzen dabei unseren sozialpolitischen Einfluss für eine Lobbyarbeit.
Aber auch im Rahmen unserer Möglichkeiten können wir dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Wir kooperieren z. B.  mit der Christlichen Jugendsozialarbeit (CJS) im Projekt Recall statt Rückzug. Ziel dieser Maßnahme ist es, Sozialassistentinnen in Theorie und Praxis zu schulen, damit sie die Voraussetzungen für eine Ausbildung zur Erzieherin erfüllen.
Wir bieten Praktikumsplätze und Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ/BFD) in unseren Einrichtungen, damit junge Menschen die Möglichkeit erhalten, den Beruf kennen zu lernen.
Damit Erzieherinnen bei der Fülle von Arbeitsplatzangeboten den Caritasverband oder eine kirchliche Einrichtung wählen, werben wir mit unseren verlässlichen Tarifstrukturen, mit einer betrieblichen Rentenversicherung sowie regelmäßiger Fort- und Weiterbildung.  Wichtig sind uns natürlich auch die Mitarbeit in engagierten Teams, gemeinsame Feste, Gottesdienste und  kitaübergreifende Fachtagungen.
 
Insgesamt gibt es 38 katholische Einrichtungen in Stadt und Region. Frau Wilke, Sie beraten die 23 pfarrgemeindlichen Kindertagesstätten in der Region Hannover. Wo sehen Sie Unterstützungsmöglichkeiten durch Kirche und Gemeinden, um junge Menschen für den Beruf zu motivieren?

Kirche und Gemeinden sollten ähnlich wie in Kitas die Kinder und Jugendlichen möglichst frühzeitig ansprechen und für den Beruf motivieren. Das kann meines Erachtens durch eine gute Anbindung der Kita an die Gemeinde gelingen. Jugendliche könnten z.B. Patenschaften für jüngere Kinder übernehmen oder Praktika im Rahmen der Firmung in der Kita absolvieren.
Auch Berufsinfotage in der Gemeinde, Jugendfreizeiten und Ausbildungsangebote zum Jugendgruppenleiter können eine gute Möglichkeit sein, das Interesse der Jugendlichen zu wecken. Und wir würden uns freuen, wenn in den Pfarrbriefen über solche Angebote informiert wird. Gerne stellen wir auch eine Stellenanzeige für Pfarrbriefe zur Verfügung, um aktiv nach geeigneten Nachwuchskräften zu suchen.

Beide Referenten stehen unseren Lesern gerne für Rückfragen und weitere Informationen zum Thema Zukunftsberuf Erzieherin unter folgenden Kontaktdaten zur Verfügung:
Ulrich Bensmann, Telefon: 0511 12600 1062,
Nicole Wilke, Telefon: 0511 12600 1015.
Gerne auch per E-Mail über <link>kita@caritas-hannover.de

Bewerbungen richten Sie bitte direkt an:
Caritasverband Hannover e. V.
Abteilung Kinder, Jugend und Familie
Frau Joanna Wenkel
Leibnizufer 13 15
30169 Hannover
E-Mail: <link>j.wenkel@caritas-hannover.de

Mehr Informationen zum Projekt Recall statt Rückzug:
<link fileadmin kkh dateien newsletter flyer_sozialassistent.pdf download herunterladen der datei>Flyer als PDF Download

Christiane Kemper