Zwischen zwei und siebzig

Stadtradeln ? eine Initiative für mehr Klimaschutz. Durch Fahrradfahren. Gerade wird in der Region Hannover gestrampelt, was das Zeug hält. Auch in St. Raphael in Garbsen.

Nein, das Fahrrad von Birgit Weisser ist nicht typisch. Gepflegt, aber mit den Spuren, die das tägliche benutzen mit sich bringt. Kein Korb am Lenker, in den noch nie etwas gelegt wurde, sondern eine schicke Tasche. Und eine Vase. Mit einer Blume. Denn auch das Auge fährt mit.

Warum ist dieses Rad nun untypisch? Ja, wegen der Blume. Auch. Aber vor allem, weil Birgit Weisser aus Garbsen damit unterwegs ist. Nach Möglichkeit täglich. Denn es gibt ein Missverhältnis in Deutschland: zwar finden sich in acht von zehn Haushalten zwischen Flensburg und Garmisch ein oder mehrere Fahrräder. Nur fristen sie in der Regel ein staubiges, vernachlässigtes Leben in Keller, Garagen, Hinterhöfen oder Gartenhäuschen. Denn anders ist es angesichts ihrer hohen Zahl nicht zu erklären, dass gerade mal zehn Prozent aller Wege mit dem Fahrrad gemacht wird.

Wir kommen gerade vom Einkaufen, erzählt Birgit Weisser. Das macht sieben Kilometer hin und sieben Kilometer zurück. Gefahren ist die ehemalige Caritassekretärin aus Garbsen aber 27 Kilometer: Wir haben noch einen kleinen Schlenker gemacht, erzählt sie und lächelt.

13 Kilometer und das für einen guten Zweck. Birgit Weisser betreut das Team der Pfarrgemeinde St. Raphael bei der Aktion Stadtradeln. Seit 2008 gibt es diese bundesweite Aktion, die sich für mehr Klimaschutz einsetzt (siehe Kasten). Mit jedem Tritt in die Pedale. Weil dafür ein Auto stehen bleibt. Das spart den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid.

5240 Kilometer für den Klimaschutz erradelt

Die Aktion findet zu unterschiedlichen Zeiten in der ganzen Republik statt. Teilnehmende Kommunen wählen einen Zeitraum von 21 aufeinanderfolgenden Tagen zwischen Mai und September, in dem die für das Klima geradelt wird. In der Region Hannover endet jetzt am 27. Juni.

Bis dahin wird Birgit Weisser noch so machen Extra-Schlenker machen. Vor drei Jahren hat sie in St. Raphael mal rumgefragt, wer denn Interesse am Stadtradeln hätte. Denn die Stadt Garbsen war schon länger bei der Aktion dabei: Bei all den Schulen, Unternehmen, Verbänden und Kindergärten dachte ich, dass wir auch als Gemeinde mitmachen können.

Zwei Mitradler zum Motivieren fanden sich und das Team wurde gegründet. Im letzten Jahr waren beispielsweise 46 Mitglieder des Teams St. Raphael dabei. Mit der Pedale wurden insgesamt 5240 Kilometer erritten. Macht unterm Strich knapp eine Tonne eingespartes Kohlendioxid. Ein Auto, gerechnet auf den durchschnittlichen Benzinverbrauch von acht Litern auf 100 Kilometer, hätte diese Tonne bei einer Strecke von 6000 Kilometern in die Luft gejagt. Etwa die halbe durchschnittliche Fahrleistung eines Autos pro Jahr.

Eine reife Leistung. Und es hätte noch mehr sein können. Denn um beim Stadtradeln mitmachen zu können, müssen die gefahrenen Kilometer gemeldet werden: entweder online oder mit einem Erfassungsbogen. Zudem kann auch nur das eingetragen werden, was vorher gemessen wurde. Da fangen ja die Probleme an, erzählt Birgit Weisser. Viele Radler haben keinen Tacho und wissen nicht, wie lang der Weg zum Bäcker, zum Supermarkt oder zu Verwandten ist. Anderen ist es einfach zu mühselig, die Kilometer auch noch notieren und als Datei ins Internet hochzuladen: Das ist schade, meint Birgit Weisser. Aber sie freut sich über jeden, der trotzdem Rad fährt.

Auf sieben Kilometer 28 Ampeln

Zweiter Aspekt der Aktion Stadtradeln: der kritische Blick auf die Radwege in der eigenen Kommune. Wo wachsen Baumwurzeln hoch, wo enden Wege im Nichts. Oder wo gibt es wirklich störende Hindernisse.

Birgit Weisser hat dafür ein Beispiel. Bis Ende März ist sie noch täglich zur Arbeit gefahren. Natürlich per Fahrrad. Auf einer Strecke von sieben Kilometern standen ihr dabei 28 Ampeln im Weg. Dabei musste sie manchmal drei Phasen abwarten, bis sie als Radfahrerin dran war. Eine bung in Geduld und Demut: Wir haben es dann auch der Stadt Garbsen gemeldet, berichtet Weisser, die sich auch beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club  (ADFC) engagiert.

Dieser kommunalpolitische Aspekt ist beim Stadtradeln aber nicht so ausgeprägt: Unseren Leuten geht es mehr um die eigene Gesundheit, um dem Klimaschutz ja und damit eben auch um die Bewahrung der Schöpfung. Für sie ein toller Beitrag, ob es nun zwei oder 70 Kilometer sind, die Teilnehmer täglich zurücklegen.

Das sind aktuelle Werte aus dieser Saison. Nur: Coronabedingt haben sich bisher 32 Teilnehmer angemeldet. Aber auch bei den letzten malen haben sich zum Schluss doch noch weitere Mitradler gefunden und ihre Kilometer eingereicht: Gute Sache und macht Spaß.  

In und um Hannover sond noch weitere (auch) katholisch inspirierte Teams unterwegs: Zum Beispiel 26 Radler*innen der Gemeinde Hl. Engel im Stadtteil Kirchrode, die Freunde der deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) in Wunstorf oder fast 30 Klassen der katholischen St-Ursula-Schule. Ein Team aus über 50 Radler*innen hat sich um den Kabarettisten und bekennden Katholiken Matthias Brodowy gescharrt.

Weiteres zum Stadtradeln: <link https: www.stadtradeln.de home external-link-new-window externen link in neuem>HIER

Rüdiger Wala