Der Nikolaus in der Tüte

Grüße, Schokolade und was zu lesen für Garbsener Senior*innen

Mit Unterstützung des Bonifatiuswerks bringen Helferinnen und Helfer aus der Pfarrei St. Raphael in Garbsen gut 1000 Geschenketüten zu alten Menschen. Die KirchenZeitung inklusive. Ein Zeichen der Verbundenheit in Zeiten von Abstand.

Es ist eine der besonderen Legenden, die sich um das Leben des heiligen Nikolaus, des Bischofs von Myra ranken: Goldklumpen in Form von Äpfeln soll er nachts unbemerkt durch das geöffnete Fenster einer armen Familie geworfen haben. Um damit einen kranken Witwer und seine drei Töchter vor einem Leben in der Gosse und ihren Verkauf an Männer zu bewahren. Und ja, sie lebten fortan glücklich und zufrieden.

Äpfel oder gar Gold hat Elisabeth Patzal nicht dabei. Aber den Heiligen. Klein und in Schokolade. Dazu eine Grußkarte, einen Strohstern, einen Jahreskalender und die aktuelle Ausgabe der KirchenZeitung. Gewissermaßen den Nikolaus in der Tüte. Damit klingelt die Garb­se­nerin aus der Pfarrei St. Raphael bei Gertrud Müllmann. Ein freundliches „Hallo“, ein kurzer Schnack und Übergabe der Tüte. Nicht nachts. Nicht durch das Fenster. Aber auch um Menschen zu bewahren. Vor Einsamkeit, vor der Furcht, dass niemand mehr an sie denkt. Eine alltägliche Angst in Zeiten von Pandemie und Abstand.

„Tat.Ort.Nikolaus: Gutes tun – kann jeder“

„Tat.Ort.Nikolaus: Gutes tun – kann jeder“. So hat das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken ein Projekt überschrieben, das jetzt bundesweit stattgefunden hat. Die Idee: Das Hilfswerk unterstützt Gemeinden, die Zuversicht und Hoffnung vermitteln. Tatkräftig. So wie in Garbsen und in 61 anderen Orten Deutschlands. 

„Diese zupackende Idee haben wir mit unserem Sachausschuss Caritas aufgegriffen“, berichtet Gregor Branahl. Der Pastoralreferent und Leiter der katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung lebt in Garbsen und engagiert sich im Pastoralrat. „Es finden doch auch hier die gewohnten Veranstaltungen und Gottesdienste in der Advents- und Weihnachtszeit nicht statt“, sagt Branahl: „Da kamen wir auf die Idee, unseren Gemeindemitgliedern über 80 Jahre ein Päckchen an der Haustür zu überreichen.“ Nicht nur mit Süßigkeiten, sondern auch mit etwas zu Lesen – nämlich einen Kalender und die KirchenZeitung.

Allerdings zeigte sich Branahl dann doch überrascht, wie viele Gemeindemitglieder schon in diesem Alter sind: „Mit fast 1000 haben wir nicht gerechnet.“ Zur Pfarrei St. Raphael mit ihren Kirchorten St. Maria Regina in Berenbos­tel und Corpus Christi in Havelse zählen insgesamt knapp über 9000 Katholiken. „Gerade weil alles auf Abstand geht, wollen wir ein Zeichen der Verbundenheit setzen“, unterstreicht Gregor Branahl.

Zusammenarbeit mit Freiwilligenagentur

Helfer zum Tüten packen waren ebenso schnell gefunden wie Austräger: „Unsere Idee war, lieber ein paar Tüten weniger zu nehmen, aber dafür mehr Zeit für einen kleinen Plausch an der Haus- oder Wohnungstür zu haben.“

Unterdessen wählt Regine Schwegemann sorgfältig Tüten aus. Sie schaut auf die Adress-Aufkleber, geht schnell im Kopf durch, ob das zur ihrer Route passen würden. Sie macht gerne mit: "Ich rage ja auch sonst den Pfarrbrief aus", erzählt sie: "Das ist das doch Ehrensache, vor allem, wenn man Menschen damit eine Freude machen kann."

Mit dabei ist Jasmin Jagiello. Die Neunjährige ist Nachbarskind und "Nennnichte" von Regine Schwegemann. "Es sind so viel Leute allein zu Hause und können nicht raus", weiß Jasmin.  Dass muss doch auf die Nerven gehen. Deshalb macht sie gern mit und freut sich auf das Verteilen der Tüten. Doch erst einmal werden die Tüten noch weiter sortiert.

Zudem hat Gregor Branahl bei der Freiwilligen­agentur in Garbsen angefragt – und war wieder überrascht: „Da haben sich 20 auch jüngere Frauen und Männer gefunden, die die Idee einfach gut fanden und mitgemacht haben.“ Menschen, die eigentlich gar nichts mit der Gemeinde zu tun haben. „Das ist schon klasse.“

Für Elisabeth Patzal hat die Aktion eine doppelte Bedeutung. Zum einen, weil sie Gemeindemitglieder besucht und merkt, wie sehr sie sich freuen. Zum anderen, weil es für sie selbst ein gutes Gefühl ist, „in dieser Zeit etwas tun zu können.“ Helfen wirkt immer zweifach.

Von anderen Austrägern hat sie gehört, dass sie auch schon mal einen Schnaps an der Tür trinken durften. Oder aber für den Mann von der Apotheke gehalten wurden, der bestellte Medikamente bringt. Dem Nikolaus wäre es wohl egal gewesen. Er ist – unter anderem – Schutzpatron der Apotheker.

Rüdiger Wala