Ein Hörgenuss zum Abschluss

Es war ein fulminater Schlusspunkt des Jubiläums der Basilika St. Clemens. ber 100 Sängerinnen und Sänger und 40 Musikerinnen und Musiker haben das Paulus-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführt. Wie wirkt ein solches Werk auf die Zuhörenden? Wie wirkt es im "Konzert" der anderen Veranstaltungen zum Jubiläum? Darüber hat sich für uns Christian Seibt, freier Kulturjournalist, Gedanken gemacht.

Großes Aufgebot beim Abschlusskonzert des Jubiläumsjahres "300 Jahre Basilika St. Clemens in Hannover". ber 150 Akteure führten am Samstagabend Felix Mendelssohn Bartholdys "Paulus"-Oratorium in der restlos ausverkauften Basilika auf und begeisterten die 450 Zuhörer mit einer exzellenten, fesselnden musikalischen Darbietung. Mit sichtlicher großer Musizier- und Sangesfreude und Innigkeit boten der Propsteichor St. Clemens, der Domchor und der Kammerchor der Hildesheimer Dommusik, das Orchester Sinfonietta Hildesheim und die Solisten Martina Nawrath (Sopran), Michaela Ische (Alt), Tobias Meyer (Tenor) und Albrecht Pöhl - unter der Leitung von Nico Miller - Bartholdys Meisterwerk mit beeindruckender Intensität, Dynamik, Rhythmik und Klangfülle dar.

Miller, Regionalkantor an der Basilika St. Clemens, formt alle Akteure zu einer faszinierenden, harmonisch-homogenen musikalischen Einheit zusammen. Dabei erzeugt er ein schönes, differenziert-transparentes Gesamtklangbild über den gesamten Zeitraum von zwei Stunden (nur eine kurze Stimmpause). Ein Hörgenuss.

Schon der Auftakt, die Ouvertüre, des 1836 uraufgeführten und in zwei Teile und acht Szenen gegliederten Werkes über Leben und Wirken des Apostels Paulus, seine Wandlung vom Saulus zum Paulus, erfreut. Wundervolle Melodien, und eine immense kompositorische Bandbreite, Musik von sanft-getragen über feierlich bis aufwühlend und dramatisch. Kraft- und klangvoll die "Stimme der Christenheit"-Chorpartien wie "Herr, du bist der Gott...", und berührend die Choräle wie "Allein Gott in der Höh' sei Ehr' und Dank für seine Gnade...".

Hervorragend die Solisten mit ihren vollen, runden Stimmen: Pöhl als Saulus/Paulus packt die Zuhörer mit seinem warmen Bass und der Intensität seines Gesanges. Ergreifend seine Paulus-Arie "Gott, sei mir gnädig...". Nawrath, mit ihrer klaren Stimme, fesselt mit ihren Arien (wie "Jerusalem...."). Ebenso Meyer mit seiner hellen Tenorstimme als Barnabas. Schön auch, wie Nawrath und Meyer abwechselnd die narrativen Gesangstexte zu Gehör bringen. Und auch Ische überzeugt mit ihrem Gesang ("Doch der Herr vergisst die Seinen nicht..."). Auch bei Duetten und gemeinsamen Gesangspassagen harmonieren die Solisten ausgezeichnet miteinander.

Bartholdys (1809-1847) Oratorium ist trotz der Länge kurzweilig. Es gibt viele spannungsvolle Momente (klasse die satten Bläser), besonders die Szene "Die Steinigung des Heiligen Stephanus" oder jene mit dem Chor "Die Juden und Heiden". Das ergreifende Klangerlebnis endet mit dem Chor ("...Lobe den Herrn..."), ein kraftvoll-bewegtes Tutti. Nach dem Ausklang, ergriffene Stille! Dann siebenminütiger, begeisterter Applaus mit stehenden Ovationen und Jubel. Ein wunderbares, ergreifendes Konzert - und ein krönender musikalischer Abschluss des Jubiläumjahres.

Mit dem umfang- und abwechslungsreichen einjährigen Jubiläumsprogramm, umspannt vom Leitgedanken "Zukunft würdigt Geschichte", setzte man deutliche und schöne Akzente im Kulturkalender der Stadt. Es gab 80 Veranstaltungen, mit einer enormen kulturellen Bandbreite: Konzerte, Theater, Gottesdienste, Ausstellungen, Kino-Reihe, große Feste, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen.

Immer wieder gab es kulturelle Glanzlichter, wie die ausverkauften Konzerte mit dem Knabenchor Hannover (02.06.2018, Festkonzert, zugleich Eröffnungskonzert der 3. Festwoche des Forum Agostino Steffani, mit selten gespielter Kirchenmusik des venezianischen Spätbarock, zur Zeit der Kirchweihe von St. Clemens) und dem Mädchenchor Hannover (29.09.2018). Und eben das Paulus-Oratorium. Besonders waren auch die zwei Kirchenführungen in Verbindung mit einem Barock-Konzert von Studierenden der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.

Weitere Höhepunkte: Das große Fest, die Geburtstagsfeier, in und um die Basilika (29.04.2018) und der "Kita-Chor der vielen kleinen Stimmen", das Open-Air-Konzert vor der Basilika mit 640 Kindern aus 34 katholischen Kindertagesstätten aus der Stadt und der Region Hannover (18.04.2018). Und auch beim ersten Hannoverschen Lichtkunstfestival "Hannover leuchtet" (14.-18.11.2018) war die mit kunstvollen Projektionen beleuchtete Fassade der Basilika einer der Höhepunkte und beliebtes Ziel für die Menschen.

Wichtig zudem waren die Diskussionsveranstaltungen, bei der auch oft die Frage "Welche Bedeutung hat die katholische Kirche für die Stadt und die Region Hannover?" gestellt und besprochen wurde. Und besonders bedeutsam: Während des Jubiläumsjahres wurde die neugestaltete Krypta unter St. Clemens als Trauer- und Hoffnungsort für die Stadt wiedereröffnet! Mit dem Festgottesdienst am Sonntag wurde das Jubiläumsjahr feierlich beendet.

Christian Seibt