"Hoffnung im Horror"

Zentrale Fronleichnamsfeier in Hannover

Nach fast drei Jahren Pause haben sich über 800 Katholik*innen in Hannover zu einem Freiluft-Gottesdienst vor der Basilika St. Clemens versammelt. Die Prozession führt zu zwei markanten Stellen im Stadtteil.

„Endlich“: In zweierlei Hinsicht machte dieses kleine Wort die Runde bei der zentralen Fronleichnamsfeier mitten in Hannover. Endlich, weil nach fast drei Jahren wieder zu einem Freiluft-Gottesdienst eingeladen wurde – mit Prozession. Mit Weihrauch und Banner, mit Kommunionkindern und Malteserritter, mit Katholik*innen aus aller Herren Länder, mit Baldachin und dem Allerheiligsten in der Monstranz. Endlich wieder: So geht Glauben. Auf der Straße. Sichtbar auf dem Platz und durch die Prozession, hörbar durch Schellen, Gesang, Gebete, dem Posaunenchor und der Schola des Propsteichor St. Clemens unter Leitung von Regionalkantor Francesco Bernasconi.

Die andere Hinsicht: „Endlich“ – am Ende der Prozession. Ein nicht wenig gehörter Stoßseufzer. Denn fast drei Stunden für Gottesdienst und Prozession ist rekordverdächtig. „Wir haben etwas überzogen“, gibt dann auch Propst und Regionaldechant Christian Wirz zu. Für ihn aber trotzdem ein Zeichen für „den Hunger nach Leben“ – nach Feiern, nach Normalität, nach Zusammenkommen.

Aber: Die Zeiten sind nicht normal. Nicht nur wegen der Nachwirkungen der Corona-Pandemie: „Der Teufel des Krieges zeigt uns wieder seine hässliche Fratze in der Ukraine“, predigt Wirz. Doch es gibt die christliche Hoffnung auf Frieden: Wir haben hier einen unter uns, lebendig, präsent, der im Horror des Kreuzes unterging – und auferstanden ist.“ Hoffnung im Horror.

Diese Hoffnung stiftet Solidarität: Die Kollekte, die sich auf knapp über 3800 Euro summiert, geht zur Hälfte an die ukrainische griechisch-katholische Gemeinde St. Wolodymyr in Hannover-Misburg und deren Partnerorganisationen in der Ukraine. Besonders werden zurzeit bei den ukrainischen Partnern Fahrzeuge benötigt, die gehbehinderte Menschen befördern können, Krankenwagen oder einen LKW, der bei der Hilfsgüterverteilung innerhalb der Ukraine eingesetzt werden kann. Mit 1400 Euro wird dieses Vorhaben unterstützt. Die andere Hälfte dient zur Deckung der Kosten der Fronleichnamsfeier.

Im Anschluss führt eine Prozession durch die Calenberger Neustadt. Sie wird an zwei eigens aufgebauten und gestalteten Freiluftaltären Halt machen – einmal an der Neustädter Hof- und Stadtkirche und einmal im Innenhof der Feuerwehrwache in der Feuerwehrstraße, in der zurzeit Flüchtlinge untergebracht sind. Der erste Altar ist von der Polnischen Katholischen Mission gestaltet. Groß ist der barmherzige Jesus zu sehen, das Gnadenbild der Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit. Es folgt der Darstellung, wie Jesus Christus am 22. Februar 1931 der Schwester Faustina Kowalska in der Klosterzelle der Kongregation im polnischen Płock erschienen ist. Die Strahlen aus seiner Brust stehen für seine Hingabe zu den Menschen. Der Leiter der polnischen Mission, Pfarrer Tadeusz Kluba, erinnert in einem kurzen Impuls daran, welche Quelle Barmherzigkeit hat: das Vertrauen auf Jesus. Hoffnung, auch im Horror.

Auch beim zweiten Altar fällt der Blick auf ein Bild – eines, das noch im Werden ist. Es ist eine Fassadenmalerei, die die bisher schmucklose zweistöckige Außenfläche des Treppenaufgangs im Pfarrzentrum St. Godehard im Stadtteil Linden zieren wird. Es zeigt von Kirchenfenstern inspirierte Darstellung aus dem Leben des Patrons der Gemeinde. Verbunden mit vier weiteren Graffitis am Pfarrbüro stehen diese Malereien für den leitenden Pfarrer von St. Godehard, Wolfgang Semmet, für eine Gemeinde, die sich nach außen öffnet und Farbe bekennt. In ihrer Verschiedenheit von Nationen und Kulturen, aber in ihrer Gemeinsamkeit im Glauben. Bilder der Hoffnung.

  • Mitwirkende Missionen und Kirchengemeinden: Spanischsprachige Katholische Mission | Polnische Katholische Mission | Italienische Katholische Mission | Ukrainische griechisch-katholische Gemeinde St. Wolodymyr (Misburg) | St. Augustinus (Ricklingen) mit St. Johannes Bosco und St. Maria | St. Bernward (Döhren) mit St. Michael und St. Eugenius | St. Godehard (Linden) mit St. Benno, St. Maria Trost und Christ-König | St. Heinrich (Südstadt) mit St. Elisabeth und der Propstei St. Clemens | St. Joseph (Vahrenwald/List) | St. Maria (Hannover-Nord) mit St. Hedwig, St. Adalbert und St. Christophorus | St. Maximilian-Kolbe (Mühlenberg) mit Hl. Familie und St. Thomas Morus | Zu den heiligen Engeln (Kirchrode)

Rüdiger Wala