Wie Macht und Gewalt geteilt werden

Synodalversammlung: Nachfragen bei Winfried Quecke

Drei Tage lang wurde in Frankfurt am Main auf der zweiten Vollversammlung des Synodalen Weges um Reformen für die Katholische Kirche gerungen, gerade um die Frage von Macht und Demokratie. Winfried Quecke aus Laatzen ist für das Bistum Hildesheim gewähltes Mitglied des Synodalen Weges.

Die Synodalversammlung hat nun erstmals wieder in Frankfurt am Main in Präsenz getagt. Der ursprüngliche Fahrplan allerdings ist in Verzögerung geraten. Hat das dem Synodalen Weg genutzt oder geschadet?

Es hat geschadet, weil scheinbar der Schwung aus dem Prozess genommen wurde. Es hat aber dabei geholfen, differenziertere Texte zu verfassen – die jetzt aber auch alle beraten und beschlossen werden müssen. Das stellt eine ziemliche Herausforderung an die Tagungsleitung und die Teilnehmenden dar. Natürlich braucht ein solcher Prozess das direkte Gespräch, nicht nur im Plenum, sondern auch beim Essen, in den Kaffeepausen oder am Abend und nicht nur Videokonferenzen.

Es gibt die Einschätzung, der synodale Weg sei eine Beteiligungssimulation und die katholische Kirche nicht reformierbar. Ist der synodale Weg faktisch zum Scheitern verurteilt?

Das liegt in der Hand der Bischöfe, die diesen Synodalen Weg als Reaktion auf die MHG-Studie zu den vielen Fällen sexualisierter Gewalt ja ins Leben gerufen haben. Ein Priesterratsvertreter hat im Vorfeld der Versammlung konstatiert, es handele sich eigentlich weder um eine Glaubens- noch um eine Kirchenkrise, sondern um eine Krise des Bischofsamtes. Also liegt es an den Bischöfen, die Beschlüsse der Versammlung in ihren Diözesen umzusetzen.

Sie haben im Vorfeld der zweiten Synodalversammlung mit 25 anderen Männern aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zur Wertschätzung homosexueller Partnerschaften aufgerufen. Warum?

In der „Hildesheimer Erklärung“ haben viele Menschen und Organisationen sich für die Möglichkeit von Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Sowohl der Diözesanrat, also das Gremium, das mich in die Synodalversammlung entsandt hat, hat diese Erklärung unterzeichnet, als auch Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat meiner Gemeinde St. Oliver in Laatzen. Ich persönlich würde allerdings noch weiter gehen. Ich kann zum Beispiel Menschen aus der Generation meiner Töchter nicht erklären, warum eine sakramentale Eheschließung von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht möglich sein soll.

Sie haben ebenfalls im Vorfeld in einer weiteren Erklärung von Mitgliedern des ZdK, die abgelehnten Rücktritte der Erzbischöfe von Köln und Hamburg kritisiert und die Frage aufgeworfen, wie ernst der Vatikan Reformbestrebungen nimmt. Ist diese vatikanische Haltung eine Belastung für den synodalen Weg?

Das Problem liegt in der vatikanischen Begründung, dass nämlich schon das Angebot eines Rücktritts als Eingeständnis von Fehlern und Zeichen der Demut ausreichen soll. Etliche Betroffene von sexualisierter Gewalt empfinden das eben nicht so. Ich glaube auch nicht, dass dies zum Aufbau verloren gegangenen Vertrauens in den jeweiligen Diözesen beiträgt.

Wenn sie auf die Synodalversammlung mit ihren vielen Abstimmungen über Papiere zurückblicken: War das ein echtes Ringen um die Zukunft der Kirche oder haben Reformer*innen und Bewahrer*innen lediglich ihre Positionen ausgetauscht?

Das inhaltliche Ringen hat bereits vor der Versammlung begonnen: in der Diskussion in den vier Foren, bevor es zu den Beschlussvorlagen kam und in den vielen sehr sachkundigen Kommentaren, die zu den Vorlagen vorher schriftlich abgegeben wurden. Bei der Versammlung selbst musste dann mit Redezeitbegrenzungen gearbeitet werden. Ärgerlich ist jetzt, wenn sich eine kleine Minderheit als „Opfer“ inszeniert, nur weil eine Mehrheit ihrer Position deutlich widerspricht.

Was war für Sie die wichtigste Diskussion, was die bedeutendste Forderung?

Zum jetzigen Stand halte ich die Handlungstexte des Forums „Macht und Gewaltenteilung“ für die tiefgreifendsten. Darin sehe ich primär eine Umkehr der Beweislast: Es muss nicht begründet werden, warum es in der Kirche demokratische Prozesse gibt, sondern es muss jetzt begründet werden, warum eine Entscheidung nicht nach demokratischen Standards fällt. Das heißt dann in der Konsequenz, dass zentrale Entscheidungen nicht wie bisher, auch in unserem Bistum, nur von Bischof, Domkapitel und den vom Bischof berufenen Hauptabteilungsleiter*innen im Generalvikariat getroffen werden, wie beispielsweise bei der Schließung von Bildungshäusern oder der Abschaffung des konfessionellen Religionsunterrichts.

Sie sprechen unser Bistum an. Was würde sich konkret ändern?

Für unser Bistum am bedeutendsten halte ich die Forderung nach einem Synodalen Rat in jeder Diözese, deren Mitglieder von den Gläubigen gewählt werden – ohne Berufungen durch den Bischof. Damit ist die Erwartung verbunden, dass der jeweilige Bischof sich selbst an die Beschlüsse dieses Rates bindet. Ein analoges Verfahren soll auch für die Pfarrei gelten. Über das Bistum hinaus wäre dies die Einrichtung eines synodalen Rates auf Bundesebene, der quasi die Arbeit des Synodalen Weges dauerhaft fortsetzt. Hier gibt es aber noch Fragen zu klären, unter anderem welche Auswirkungen solche Räte auf bereits bestehende Gremien haben. Auf Ebene der Gemeinden ist sicher die Forderung nach der Predigterlaubnis für theologisch gebildete Lai*innen bedeutsam, weil damit eine rein männlich geprägte Sicht überwunden würde.

Welche Debatte war für Sie enttäuschend? Wo haben sich Hoffnungen zerschlagen?

Zwei Punkte: Wenn Bischof Voderholzer polemisch von einem „unfehlbaren Lehramt der Betroffenen“ (von sexualisierter Gewalt) spricht, so ist das bewusst verletzend. Gut, dass Bischof Overbeck kurz danach dieser Äußerung scharf widersprochen hat. Und: Wenn es einigen wenigen Bischöfen offenbar nicht möglich ist, gemeinsam mit der Versammlung Eucharistie zu feiern, sondern sie einen Extra-Gottesdienst halten, dann stellt sich schon die Frage, ob es noch eine gemeinsame Grundlage gibt.

Das Forum Macht und Gewaltenteilung fordert, dass sich kirchliche Entscheidungsträger regelmäßig Wahlen und Abstimmungen stellen sollen. Was heißt das konkret?

Der Vorschlag ist, dass der Synodale Rat der Diözese, deren einer Vorsitzender der Bischof ist, zu Beginn einer Amtsperiode gemeinsam Ziele formuliert. Deren Umsetzung wird am Ende der Amtsperiode überprüft und im Rahmen dessen soll der Bischof fragen, ob er noch das Vertrauen des Rates hat. Wenn dies dreimal deutlich verneint wird, so soll er dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Ich sehe da für unser Bistum derzeit kein Problem und vertraue darauf, dass Bischof Heiner der Einrichtung eines Synodalen Rates nach den Vorgaben der Synodalversammlung zustimmt, das heißt ausschließlich gewählte Mitglieder und eine Selbstbindung des Bischofs. Bei der Wahl eines neuen Bischofs soll eine Vertretung des Synodalen Rates zusammen mit dem Domkapitel beraten.

Zum Schluss fehlten fünf Stimmberechtigte und die Synodalversammlung war nicht mehr beschlussfähig. Ist das ärgerlich, peinlich oder schon ein Zeichen von Resignation?

Ist eine ärgerliche Panne, mehr aber nicht. Wie das mit den Zeitplanungen der Bischöfe ist, weiß ich nicht, aber ZdK-Mitglieder sind es gewohnt, dass bei Vollversammlungen die zentralen Abstimmungen am Freitag stattfinden und am Samstag vornehmlich Informationspunkte behandelt werden. Hier werden alle Synodalen dazulernen müssen, dass bis zum Schluss noch Abstimmungen stattfinden. Inhaltlich war es gut, dass Bischof Bätzing die Beschlussfähigkeit angezweifelt hat, um dem Verdacht zu begegnen, die Beschlüsse würden in einer Art „Räubersynode“ gefasst werden.

Noch einmal grundsätzlich gefragt. Papst Franziskus hat die Eröffnung der Weltsynode mit einem Appell an die Einheit der Kirche begonnen. Ist das ein Fingerzeig, es mit dem Synodalen Weg in Deutschland nicht zu übertreiben?

Das würde unterstellen, dass unsere Beratungen die Einheit der Kirche gefährden würden. Ganz im Gegenteil, es gibt lebhaftes Interesse an unseren Beratungen aus anderen Ländern. So hat es während und nach der Versammlung öffentlich zustimmende Äußerungen von Beobachtern beispielsweise aus der Schweiz und Luxemburg gegeben. Als Randnotiz: Ich selbst durfte mein Foto, zusammen mit meiner damaligen Sitznachbarin, Sr. Philippa, in der Kirchenzeitung aus Boston wiederfinden. Ich bin sicher, mit unserem Synodalen Weg in Deutschland leisten wir auch einen Beitrag zum Gelingen der Weltsynode.

Interview: Rüdiger Wala