In drei Worten: "Offen, gastfreundlich und kompetent"

Jutta Johannwerner verlässt den [ka:punkt]

13 Jahre dabei, neun Jahre davon als Leiterin: Jutta Johannwerner hat den [ka:punkt], den Treffpunkt der Katholischen Kirche in der Region Hannover geprägt. Jetzt ist die Pastoralreferentin in den Ruhestand gegangen. Im Gespräch blickt sie zurück.

Der [ka:punkt] gilt ja als besonders starkes Stück Kirche, gerade in der Innenstadt von Hannover. Welche drei Adjektive zeichnen ihn aus?

Ganz kurz und knapp: Offen, gastfreundlich und kompetent.

13 Jahre dabei, erst im Kulturprogramm und dann neun Jahre als Leiterin: Was nimmst du mit aus dieser Zeit?

Das ist vor allem ganz viel geschenktes Vertrauen. Das hat sich in berührenden und bereichernden Begegnungen gezeigt –mit den Mitarbeitenden im [ka:punkt], mit den Klientinnen und Klienten in der Beratung und natürlich mit den Gästen im Café oder bei unseren Veranstaltungen. Ich gehe mit ganz viel Freude.

Beratung ist eines der Stichworte, die mit dem [ka:punkt] verbunden sind. Was sind deine Erfahrungen dabei, wie kann Menschen konkret geholfen werden?

Konkrete Probleme können auch konkret gelöst werden. Das ist eine ganz wichtige Erfahrung: Sei es in der Schuldnerberatung oder auch bei Problemen, die eher mit der Persönlichkeit und der Lebenssituation verwoben sind. Das kann durch fachliche Beratung verbessert oder gelöst werden: nicht gelingende Kommunikation zwischen Partnern, Entscheidungsfragen, Bewältigung von schicksalhaften Einbrüchen wie Erkrankung oder Trennung. Manchmal gelingt auch eine Weitervermittlung an besser geeignete Fachdienste, zum Beispiel wenn es um Anträge oder Behördengänge geht.

Welche Rolle spielt dabei die Spiritualität? Kann sie christlich geprägte Lebenshilfe sein?

Spiritualität ist meines Erachtens eine Grundhaltung: Sie ist Grundausrichtung auf Gott hin, die unser Leben in einen großen transzendenten Kontext stellt. Diese Grundhaltung oder Ausrichtung atmen wir ein und aus. Das Vertrauen, das ich in Gott und das Leben habe, wird erfahrbar in dem, was ich tue, wie ich rede, wie ich anderen begegne. So kann ich den anderen in meinem Vertrauen mittragen oder ihm von meiner Stärke etwas abgeben – und umgekehrt. Spiritualität ist kein Instrument, das ich einsetzen kann oder nicht. Spiritualität ist eine Haltung, die ganz grundsätzlich das Leben prägt, gestaltet und auch Krisen überwindet.

Begegnung ist ein zweites Stichwort. Wie wichtig ist es für eine Einrichtung wie den [ka:punkt] einen verdammt guten Kaffee anzubieten?

Begegnung passiert ja auf vielen Ebenen: Es wird Hilfe einfordert oder anbieten, es wird über Politik, Kunst, Tagesgeschäfte gesprochen oder gemeinsam gehandelt. Bei uns im [ka:punkt] kommt bei all der Schwere, die die verschiedenen Beratungsstellen so schon mitbringen, der Genuss nicht zu kurz. Und zum Genuss gehört eben auch ein guter Kaffee. Das ist schlicht eine Frage der Wertschätzung unserer Gäste.

Guerilla-Gärtnern, 20 Meter Kirschkuchen, ein Liebespostamt: Drei von unendlich vielen Beispielen von Aktionen, die im [ka:punkt] einfach mal ausprobiert wurden. Was war der Leitgedanke dabei?

Es waren viele unterschiedliche Aktionen und Vorhaben. Sie sie alle hatten das Ziel, aktuelle Themen "schmackhaft", Menschen in der Stadt ins Gespräch zu bringen. Es hilft, mit Leichtigkeit den Blick auf Themen lenken, die in der Luft liegen und die Möglichkeit zu bieten, sich direkt darüber auszutauschen. Das hält auch ein Stück weit die Gesellschaft zusammen.

Kreuz- und Adventswege durch die Stadt, Krippen im Schaufenster, Osterhasen mit Fastenfähnchen, Gebete mal anders: Im Sinne der City-Pastoral hat der [ka:punkt] auch sehr grundlegende Glaubensfragen zwischen Ladenzeilen und Restaurants mit Aktionen aufgeworfen. Hat der Glauben Platz in der Innenstadt?

Glauben hat auf jeden Fall Platz in der Innenstadt. Aber nicht in den Mustern und auch nicht in der Sprache "herkömmlicher" Ausdrucksformen. Ein Beispiel: Obdach- oder wohnungslose Menschen sind ja in der Stadt nicht zu übersehen. Sie werfen Fragen auf: nach gerechter Verteilung, Armut, Schicksal, Hilfsbedürftigkeit, sozialem Engagement und dem je eigenen Umgang mit Geld. All das ist aber damit verbunden, wie ich mein Leben und das Leben der anderen verstehe – und damit ist es eine tief religiöse Frage. Wenn wir an eine konkrete Erfahrung wirklich anknüpfen, dann sind wir ganz schnell bei existentiell religiösen Diskussionen.

Der [ka:punkt] lebt vom Ehrenamt. Warum ist dieses Engagement so unverzichtbar?

Zum einen: Die Ehrenamtlichen ermöglichen uns den Cafébetrieb als sichtbaren Ausdruck unserer Gastfreundschaft: Zum anderen bereichern unser Angebot mit Initiativen, die wir so nicht stemmen könnten: Genussradeln für Senioren, Kinoabende, Time to talk, das Bollerwagenprojekt, bei dem Suppe, Kaffee und Tee zu obdachlosen Menschen in der Innenstadt gebracht werden. Und das sind nur einige Beispiele.

Auch die Innenwände wurden und werden immer wieder neu gestaltet – durch Ausstellungen ganz unterschiedlicher Künstler*innen. Sind dir da eine oder zwei besonders im Gedächtnis geblieben?

Jede Ausstellung hat und hatte ihren ganz eigenen Charme. Wir haben stets sehr viel Wert auf Abwechslung gelegt und unterschiedliche Formate ausprobiert. Besonders in Erinnerung ist mir die Ausstellung einer Hebamme geblieben, die weiße Filztüten als Symbol für verstorbene Neugeburten hergestellt hatte. Diese Filztüten hingen im Eingang des Forums bis hinunter in die Kapelle an einem Netz aus Nylon. Die Menschen mussten da hindurch gehen und sich daran im wahrsten Sinnen des Wortes daran stoßen. Bei einer anderen Ausstellung haben wir Comics von Werner Tiki Küstenmacher aufgehangen: Nicht nur an den Wänden, sondern auch an den alten Teppichleisten vorm Schaufenster. Das war eine sehr fröhliche Ausstellung!

Auch wenn wir es alle nicht mehr hören können – die Corona-Frage: Wie setzt eine Pandemie einem Treffpunkt zu? Und was setzt sie frei?

Viele Stammgäste sind nicht mehr da. Bei manchen wissen wir, dass sie sich nicht in die Öffentlichkeit wagen. Bei anderen wissen wir noch nicht einmal, ob sie noch leben. Viele Veranstaltungen mussten wir absagen. Aber nach und nach kommt wieder Leben in die Bude. Da gibt es sogar unerwartete Hilfe. Für Autorinnen einer Reihe von Lesungen, die wir im letzten Jahr veranstaltet haben, war Corona sogar gut. Denn der Deutsche Literaturfonds hat unabhängig von Besuchszahlen anständige Honorare gezahlt. Wir konnten Fördermittel abrufen. Aber wir freuen uns über jeden Gast, der wieder zu uns findet. Wir haben digitale Formate erfunden. Manches geht dabei richtig gut. Dazu gehört der monatliche Bibliolog, der Kreuzweg in der Fastenzeit und der Adventsweg. Auch verschiedene Beratungsformen konnten wir mit Videokonferenzen oder Chats aufleben lassen. Trotzdem: Das Haus lebt von persönlicher Begegnung. Ein Café lässt sich nicht wirklich digital umsetzen.

Was wünscht du deinem*r Nachfolger*in? Und was würdest du gerne so als Staffelstab weiterreichen?

Meiner Nachfolge wünsche ich offene Augen und Ohren für das, was im [ka:punkt] da ist und für das, was gebraucht wird – in der Stadtgesellschaft. Zum zweiten wünsche ich ein großes Herz für die vielen verschiedenen bunten Menschen, die ihr auf den verschiedensten Ebenen begegnen werden sowie klare Richtschnüre, die eben keine Steintafeln sind. Denn der [ka:punkt] soll sich wandeln. Dafür braucht es Inspiration, Vision, Mut und Verlässlichkeit. Ich wünsche ihm oder ihr all das und vor allem Freude und Lebendigkeit bei allem Tun.

Fragen: Rüdiger Wala